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Ein englisches Urtheil über die Competenz des deutschen Reichs gegenüber den Einzelstaaten.
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bracht und aber- und abermals votirt. Nach einiger Zeit singen dieselben Personen, die früher kaum geglaubt hatten, dies selbst noch erleben zu können, an, für die schleunige Ausführung zu wirken. Die Regierungen, welche An­fangs keineswegs einig über den Gegenstand waren, ließen die öffentliche Meinung bald durchfühlen, daß auch sie allmählig die Nothwendigkeit einzu­sehen lernten, in dieser wichtigen Sache den Wünschen des Volkes nachzu­kommen. Namentlich die Preußische Regierung gestand es als ihre Ansicht ein. daß die Reform wünschenswert!) sei und daß sie einen konservativen Ein­fluß auf die beunruhigten Gemüther ausüben würde, obwohl sie es mit weiser Mäßigung vermied, den kleineren Fürsten einen Wechsel aufzunöthigen, der ihnen unangenehm sein konnte, nachdem der Antrag erst ein einziges Mal angenommen worden war. Bald wurde die Ansicht von einer Regierung nach der anderen gebilligt und diejenigen kleineren Fürsten, welche sie gehegt hatten, noch ehe die preußische Krone ihre Einwilligung gegeben, entwickelten eine ungewöhnliche Thätigkeit, um die Gegner zu ihrer eigenen Denkweise zu bekehren. Vor einigen Wochen wurde die Ernte dieser eifrigen Arbeit einge­sammelt. Das Gesetz, welches in der letzten Reichstagssession auf den Antrag der National-Liberalen angenommen wurde und welches für die Centralbe- hörden die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Civilrechts beansprucht, wurde im Bundesrath zur Abstimmung gebracht und von allen gegen zwei Stimmen Mecklenburg-Strelitz und Schwarzburg-Rudolstadt genehmigt. Mit der Ausnahme also der hohen und mächtigen Beherrschern von 200,000 Deutschen waren alle Fürsten einer Ansicht und ein großer Schritt zur Bollendung der nationalen Einheit ist gemacht. Es wird jedoch noch Jahre dauern, bevor das neue gemeinsame bürgerliche Gesetzbuch fertig sein kann und somit der größere Theil der politischen Arbeiten den Centralbehörden ge­sichert sein wird. Inzwischen werden die Einzellandtage aufhören, über eine große Anzahl von Dingen Gesetze zu geben, die ihrer Competenz entgegen sind.

Verschiedene Umstände haben dazu beigetragen, dieses wichtige Resultat in verhältnißmäßig kurzer Zeit reifen zu lassen. Zuerst ist es begreiflich, daß jetzt, wo ein Bayer sich mit derselben Leichtigkeit in Preußen niederlassen und ein Gewerbe betreiben kann, wie zu Hause, und ein Preuße dasselbe in Bayern thun kann, die Verschiedenheit der Civilgesetzbücher mehr als je em­pfunden wird. Wenn man diese Bemerkung auf die 25 Staaten des Reiches anwendet, wird es nicht schwer einzusehen, welche Gründe das Volk hatte, das Einheitsprineip auf dasjenige Gesetzbuch ausgedehnt zu wünschen, welches die Vorkommnisse des täglichen Lebens regelt. Die Gewährung eines gemein­samen Strafgesetzbuches war doch eigentlich dem ehrlichen Theile der Be­völkerung verhältnißmäßig gleichgültig. Ein Mann, der weder stiehlt noch