433
riker bekanntlich von Bedeutung, war schon in den 1830- und 40er Jahren, als Gymnasiallehrer zu Hcrsfeld. seit 1833 als Director des Gymnasiums zu Marburg, von hierarchischen Vorstellungen erfüllt. 1832 trat er als Abgeordneter der liberalen Stadt Hersfeld in der kurhessischen Ständeversammlung eifrig für den Anspruch des Bischofs von Fulda auf. daß die katholischtheologische Facultät nicht als Staats-, sondern als rein kirchliche Anstalt behandelt werde. Bei dieser Gelegenheit entwickelte er ganz dieselben Grundsätze, welche jüngst d'e katholischen Bischöfe gegen die im Auftrage des Staates zu übende Schulaufsicht geltend gemacht haben. In den 1840er Jahren zeigte Vilmar sich eingenommen von der Idee eines Versuchs zur Heranbildung hierarchischer Bestrebungen auf dem Boden der evangelischen Kirche. Das Vorbild der katholischen Kirche allein würde ihm diese Idee nicht haben eingeben können; bestimmend waren die Zeitverhältnisse und ein außerordentlich verlockender Anhaltspunkt in Hessen. Es war die Zeit, da in Preußen unter Friedrich Wilhelm IV. der katholischen Kirche staatsseitig von freien Stücken weitgehende Zugeständnisse gemacht wurden, deren schwere Nachtheile zu entfernen eben die Gegenwart ihre liebe Noth hat. Besonders entscheidend aber war das Regierungssystem in Hessen. Hier herrschte, zunächst nicht ohne Nachahmung der Zustände in' Preußen, der Einfluß einer frömmelnden Richtung, hauptsächlich wohl deshalb, weil diese sich als geeignet erwies, dem Regenten die geduldigsten Minister zu liefern, solche, die sich sehr viel gefallen ließen, und deren religiöse Richtung Sinn für constitutionelles Wesen und dergleichen schwer aufkommen ließ. Gleichwohl würde Vilmar es nicht für möglich haben halten können, einer Ausführung seiner Idee näher zu treten, wenn nicht der staatliche Bezirk, um den es sich handelte, so klein gewesen wäre. Hierarchische Bestrebungen wurden ja von jenen Zeitverhältnissen in der evangelischen Kirche Deutschlands mehrfach hervorgerufen; so bestimmt, offen und entschieden grundsätzlich aber mit einem System oder Gebäude derselben hervorzutreten, war nur möglich in den von aller frischen Luft abgeschlossenen Sumpfstellen des hessischen Kleinstaats.
Die Bahn für jene hierarchischen Bestrebungen wurde nicht von Vilmar eröffnet, sondern 1843 von einem Theile der Mitglieder des hessischen Zweigvereins des Baseler Missionsvereines. Dieselben waren noch keineswegs von jenen Bestrebungen selbst durchdrungen; sie zeigten vielmehr blos, auf Anregung aus Leipzig, eine auffallende Hinneigung zum exclusiven Lutherthum. Dies trat besonders !846 hervor, als der Vorstand jenes Zweigvereins, worunter der Justizminister Bickell und der Oberappellationsrath Elvers, sich zu Gunsten der Concordienformel aussprach, obwohl diese zu Ende des 16ten Jahrhunderts von der evangelischen Kirche Hessens zurückgewiesen war. Die Thatsache dieser Zurückweisung konnten die Männer jener Richtung nicht