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Accessionserfahrungen im Fürstenthum Waldeck :
(Schluß.)
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Domanialeinkommen gar keinen Antheil, würde aber bei der Verwandlung des Fürstenthums in einen gewöhnlichen preußischen Kreis die Verwaltung noch bedeutend vereinfachen und demgemäß wesentliche Ersparnisse erzielen können. Eine andere Frage aber ist, ob es in Preußens Interesse läge, hier einen Staat im Staate zu schaffen, der, wenn auch nur wenige Quadratmeilen im Umfange, durch seine zahlreichen Beamten auf die waldecksche Bevölkerung doch von sehr gewichtigem Einflüsse bleiben würde. Man rühmt doch sonst an der preußischen Politik, daß sie auch in kleinen und kleinsten Dingen mit Vorsicht zu Werke gehe. Jedenfalls aber kann die preußische Regierung, nachdem sie die waldeckschen Verhältnisse näher kennen gelernt, keine sonder­liche Lust mehr tragen, dem Fürstenthum bei seiner Verbindung mit der preußischen Monarchie als Morgengabe den Verlust seines Anrechts auf das Domanium entgegenzubringen, und da sie sich andererseits noch gut genug erinnern wird, daß im Jahre 1867 ihre Anerbietungen betreffs einer ein­fachen Geldabfindung des Fürsten hartnäckig zurückgewiesen wurden, so scheint das stark verbreitete Gerücht nur zu glaubwürdig, nach welchem man in Berlin von Annexion einstweilen gar nichts mehr wissen möge.

Was bliebe also Anderes, als die Rückkehr in das alte Verhältniß vor 1868? Man braucht jedoch diesen Gedanken nur auszusprechen, um einem allgemeinen Kopfschütteln zu begegnen. In der That, ein derartiger Schritt würde aller politischen Logik zu widersprechen scheinen. DieSelbständigkeit" des Fürstenthums wurde im Jahre 1867 aufgegeben, weil sie finanziell un­haltbar geworden war. Kann man nach dem oben Gesagten erwarten, daß dieser Grund im Jahre 1878 beseitigt sein würde? Ganz gewiß nicht. Uebri- gens scheint man sich auch innerhalb der fürstlichen Partei nicht mit Restau­rationsgelüsten zu tragen; wenigstens würde sich die ganze Weise der Doma- nialverwaltung mit solchen Absichten schwer in Einklang bringen lassen. Wozu aber greifen, wenn weder Accession, noch Annexion, noch Restauration mög­lich ist? Irgend ein Schlaukopf hat es gefunden, indem er die Parole aus­gab:Werden wir Reichsland! Dann sind unsre Sorgen auf immer ge­hoben, wir bleiben Waldccker nach wie vor und unsere Deficits bezahlt das große Reich." Fürwahr, es hat der herkömmlichen Confusion der staatsrecht­lichen Begriffe in Deutschland grade noch gefehlt, daß mit der Erwerbung Elsaß-Lothringens ein ganz neues Wesen, einReichsland" geschaffen wurde! Die Noth zwang zu dieser Schöpfung, und sicherlich haben Deutschlands lei­tende Staatsmänner nicht beabsichtigt, mit ihr ein nachahmenswerthes Bei­spiel für unsere innere staatliche Entwicklung zu begründen. Staatsweise Leute deduciren freilich, daß Preußen das größte Interesse daran habe, Wal­deck in irgend einer Form als Particularstaat erhalten zu sehen, weil es die

Grenzboten IV. 1873. 54