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pelung, einen guten Schritt vorwärts gelangen wird. Leider berechtigt diese Perspeetive aber nicht zu der Hoffnung, daß der allgemeine Wohlstand sich in einem eine wesentlich höhere Besteuerung rechtfertigenden Grade steigern werde. So wenig das abseits des Weltverkehrs gelegene Ländchen von den Vortheilen der modernen volkswirthschaftlichen Entwickelung zu genießen bekommt, so sehr leidet es doch unter den Nachtheilen derselben. Von der allgemeinen Preissteigerung der letzten Jahre ist es nicht verschont geblieben, ohne daß es derselben eine auch nur entfernt entsprechende Steigerung seiner Productivität entgegenzusetzen hätte; vor Allem aber hat die Anziehungskraft der benachbarten westphälischen und rheinischen Fabrikdistricte einen Arbeiter- mangel erzeugt, der den ländlichen Tagelohn zu einer erschreckenden Höhe hinaufgeschraubt hat. Eine Besserung der Lage des Landmannes aus der einen Seite wird also voraussichtlich nur gerade hinreichen, ihn vor der auf der andern Seite immer gefahrdrohender heranrückenden Noth zu bewahren. — Von Industrie ist im Fürstenthum Waldeck zur Zeit kaum zu reden. Was früher in dieser Richtung vorhanden war, ist durch die Concurrenz der auswärtigen Großindustrie meistens lahmgelegt worden. Möglich, daß eine das Ländchen durchschneidende Eisenbahn der Gewerbthätigkeit einen bisher nicht gekannten Aufschwung geben würde; an Wasserkraft ist kein Mangel; die ausgedehnten Waldungen könnten, bei entsprechender Bewirthschaftung, den verschiedenen Zweigen der Holzindustrie Material liefern. Allein, einstweilen harren Gewerbtreibende wie Landwirthe noch vergebens darauf, daß es irgend einer unternehmenden Gesellschaft gefallen möge, die arme Gegend mit dem langersehnten Verkehrsmittel zu begnaden.
Was Wunder, wenn der Waldecker, auf solche Erwägungen gestützt, die dermalige Lage seines Ländchens wenig tröstlich findet? Aber seine Unzufriedenheit erstreckt sich nicht nur auf die finanziellen Resultate des Accessions- zustandes, sondern auf die Ergebnisse desselben überhaupt. Man hatte von der preußischen Verwaltung große Erwartungen gehegt. Und in der That, es ist Einiges besser geworden. So ist z. B. der Ring des alten durchweg verschwisterten und verschwägerten Beamtentums, in welchem die Versuchung zum Nepotismus nur zu nahe lag, vielfach durchbrochen. Allein, auch unter der jetzigen Verwaltung werden nicht selten Klagen über kleine Unbegreiflichkeiten laut. Sodann macht die bis aufs Aeußerste getriebene Sparsamkeit auch nicht gerade einen erhebenden Eindruck. Mag dieselbe noch so sehr durch die traurige Lage der Landesfinanzen bedingt sein, das oäium derselben fällt auf die preußische Verwaltung. Die Volksschullehrerschaft petitionirt um Gehaltserhöhung; die waldeckschen Stände constatiren den „notorischen Nothstand" und beschließen, der Landesdirector „wolle in geeigneter Weise und mit möglichster Beschleunigung eine dauernde Aufbesserung der Gehälter