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Accessionserfahrungen im Fürstenthum Waldeck.
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Accesstonserfahrmgen im Jürstenthum Waldeck.

Seit nahezu 6 Jahren ist das Fürstenthum Waldeck mit dem preußischen Staate durch einen Accessionsvertrag verbunden. Damals, als dieser Vertrag abgeschlossen wurde, hat er von Seiten der öffentlichen Meinung eine wenig günstige Beurtheilung erfahren; in diesen Blättern ist er, noch bevor ihm die Zustimmung der Landesvertretungen Preußens und Waldecks ertheilt war, als eine staatsrechtliche Ungeheuerlichkeit bezeichnet worden. So mag es denn jetzt auch für weitere Kreise eine nicht interesselose Untersuchung sein, wie sich unter seiner Wirksamkeit die Dinge in dem Fürstenthum bisher gestaltet und wozu sie sich voraussichtlich entwickelt haben werden, wenn in nicht ferner Zukunft die Frage nach Fortsetzung oder Kündigung des vorläufig auf zehn Jahre abgeschlossenen Vertrags an die competenten Factoren herantreten wird. Zugleich mag damit ein Exempel für diejenigen Kleinstaaten statuirt werden, welche etwa Lust haben sollten, das mit Waldeck vollzogene Experi­ment nachzuahmen.

Bei Errichtung des norddeutschen Bundes sah sich die waldecksche Volks­vertretung, trotz ihrer gut nationalen Gesinnung, in der Übeln Lage, den Beitritt des Fürstenthums zu demselben für unmöglich erklären zu müssen: es stand eine Erhöhung der Ausgaben in Aussicht, die das von der Natur kärglich ausgestattete und vom Steuerdruck bereits hart genug geplagte Land beim besten Willen nicht zu erschwingen vermochte. Eine vollständige Ein­verleibung desselben in den norddeutschen Großstaat soll damals in Berlin für nicht opportun gehalten worden sein- Man verfiel auf den Ausweg, die ge- sammte innere Verwaltung, mit Ausnahme derjenigen der kirchlichen Ange­legenheiten, des Domaniums und des Stifts Schaaken, an Preußen zu übertragen; Preußen sollte die sämmtlichen Landeseinnahmen beziehen, dafür aber auch die sämmtlichen Landesausgaben bestreiten. Wie immer sich also das Deficit in Folge des Eintritts in den Nordd. Bund gestalten mochte, Preußen mußte Mittel und Wege zur Deckung desselben finden.

Man ist von der preußischen Finanzverwaltung nicht gewohnt, daß sie ins Blaue hinein wirthschafte. Es schien auch nicht schwierig, das Deficit

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