Beitrag 
Vom preußischen Landtag.
Seite
351
Einzelbild herunterladen
 

3S1

Dom preußischen Landtag.

Berlin, den 23. November 1873.

Auch die zweite Woche der Landtagssession bietet der Aufmerksamkeit keinen reicheren Stoff. Einige technische Vorlagen sind von Seiten der Regie­rung eingebracht, von denen einige bereits durch die erste Lesung gegangen. Wir behalten unsern Grundsatz bei, auf den Inhalt der Gesetze erst bei der zweiten Lesung einzugehen. Schon erhebt sich wiederum die Klage, daß die Regierung abermals wie in der letzten verunglückten Reichstagssession zu ver­säumen scheine, den Landtag rechtzeitig mit Arbeiten zu versehen. In der That kann der Wunsch nicht dringend genug ausgesprochen werden, daß die Regierung sich zur Regel machen möge, die Vorlagen, die sie einzubringen beabsichtigt, bis zum Eröffnungstag jeder Session fertig zu stellen. Ueber den allseitigen Nutzen eines solchen Versahrens ist ebensowenig ein Wort zu verlieren, wie über die schädliche Wirkung des Gegentheils. Nur wenn im Laufe der Session ein dringendes Bedürfniß unerwartet hervortritt, sollte eine darauf gerichtete Vorlage im Laufe der Session eingebracht werden dürfen. Man wird diesem Wunsch entgegen halten, daß eine solche Fertigstellung zum Eröffnungstage ein schöner aber frommer Wunsch und factisch eine Unmög­lichkeit sei. Wir behaupten dagegen mit voller Ueberzeugung, daß dieses Ziel bei einigem Ernst vollkommen erreichbar ist. Die zweite Session der jetzi­gen Legislaturperiode beginnt vermuthlich im Januar 1875. Wenn man ein wenig Mühe nicht scheut, den Ueberblick der nöthigen Aufgaben und Vorbereitungen sobald als möglich, wo möglich schon jetzt zu gewinnen, so wird man vor den nächsten Landtag mit abgeschlossenen Vorbereitungen tre­ten können. Im Herbst 1875 soll der neu zu wählende Reichstag zur ersten ordentlichen Session zusammentreten, nachdem er zwischen Neujahr und Ostern zu einer außerordentlichen Session berufen worden ist. Diese außerordentliche Session soll bekanntlich der Berathung des Reichs-Milttärgesetzes dienen, weil die Periode des Pauschquantums mit dem Ende des Jahres 1874 abläuft. Weil diese Periode abläuft, muß dem Reichstag in der Herbstsession von 1874 das ausführliche Militärbudget für 1875 vorgelegt werden. Die Auf­stellung und Ausarbeitung dieses Budgets setzt aber nach der Reichsverfas­sung. Artikel 62, das Reichsheergesetz voraus. Auf diese Weise ist eine außer­ordentliche Reichstagsession vor dem Herbst unmöglich. Die Hauptvorlage dieser Session, der Entwurf des Heergesetzes nämlich, dürfte schon längst aus­gearbeitet sein, wenigstens durch die Reichskriegsverwaltung, so daß er nur noch durch den Bundesrath zu gehen hat. Der Reichstag wird also nach seinem außerordentlichen Zusammentreten keine Verzögerung seiner Arbeiten er-