US
gung geschaffen. Bis dato hatZ das Vaterland für unsere höheren und niederen Bedürfnisse Sorge getragen. Alle einträglichen und leicht zu tragenden Staatschargen, und sonstigen offiziellen Stellen gehörten uns von Haus aus. Wir brauchten uns deßhalb nie den Kopf viel zu zerplagen. Warum studireu, uns die Köpfe mit all dem gelehrten Zeug überfüllen? Die besten Stellen im Staat gehörten uns so wie so. Aus diesem Grunde war auch für den Plebs das Studiren und all das dumme Zeug zwecklos. Der Plebs bekam die bessern Stellen ja so wie so nicht. — Diese glücklichen Zustände (ich meine für uns andern vornehmen Leute) wollte uns Frankreich garantiren, verewigen. Und wir sollten für dieses Frankreich keine Sympathien haben, seine Bestrebungen nicht aus allen Kräften unterstützen, nicht gegen den sich immer weiter erstreckenden Einfluß des groben, unfreigebigen, auf strenge Examina haltenden, ungeschliffenen deutschen Michels arbeiten? Nein, das konnte uns kein vernünftig denkender Mensch zumuthen. Niemand hat die Verpflichtung, Hand an sich selbst zu legen, oder seinem eigenen Vortheil entgegen zu arbeiten. — Siehe da, den Gründ unserer Sympathien für Frankreich und unserer Antipathien gegen Deutschland.
Und so begreife ich denn auch, weßhalb vornehme Leute, wie Unsereins, das Gefühl, tief und unauslöschlich, wie du sagst, in sich tragen, unter dem strammen preußischen Regiments sich nie behaglich finden zu können.—Wenn du noch ferner den Musischen Militarismus als Schreckbild anführst, so gestehe ich dir. daß ich ihn selbst dafür halte, wenn auch nicht den armen, bethörten und verblendeten Völkern, so doch der rothen wie der schwarzen Internationale gegenüber. Und, Gott lob! daß er's ist. Was sollte aus Europa, aus seinen Errungenschaften auf dem Gebiete der Wissenschaft, der Wahrheit, aus seiner gesellschaftlichen Ordnung, kurz aus allem Guten, werden, wenn nicht der stramme, regierungstreue Militarismus in Deutschland so fest und unerschütterlich zur Ordnung stände. Freilich macht das nicht die Rechnung der Dunkel- und Umsturzmänner. Doch das soll's auch nicht. Die Jesuiten, welche wider diesen Militarismus heulen und Hetzen, würden kein Haar weniger stramm regieren, wenn sie über die deutschen Heere geböten, keinen Soldaten weniger halten. —
Ich bin mit dir einverstanden, wo du. von dem Verdienst sprichst, den sich viele unserer Söhne und Töchter in Frankreich zu suchen pflegen. — Nur will es mir bedünken, daß, wenn auch unter den Tausenden, die nach Frankreich gehen, eine kleine Anzahl wirklich ihr Glück dort macht, doch eine weit größere Zahl dort materiell und moralisch verkommt und zu Grunde geht. Ich könnte dir lebende Beispiele in Masse anführen. — An Moralität hat unser Land überhaupt wenig von Frankreich gewonnen. Auch unser franzosisches Theater, unter der Oberleitung unserer ssune ?rg.uoö, war gar nicht dazu angethan, uns Moral zu predigen. Die meisten Stücke, die man uns, wenigstens in den ersten Zeiten, vom französischen Repertoire auftischte,^ waren noch eher alles andere, als moralpredigend. Aber das sollten sie ja auch nicht sein. Das Moralpredigen ist so langweilig. Und wir gingen ins Theater, um uns zu amüsiren, um zu lachen. Und diese französischen Vaudeville- Schreiber verstehen es so vortrefflich, Allem, auch dem Ernstesten und Heiligsten, eine komische Seite abzugewinnen, und uns darüber lachen zu machen. Und was die Vaudeville - Schreiber vergessen, das ergänzen die schlauen und wohleingeübten Schauspieler durch ihre Grimassen und Gesten. Nein! wahrhaftig! es geht doch nichts über das französische Vaudeville-Theater und die komischen Opern und Operetten eines Offeubach! — Wenn es das