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des Königs ein, welcher die Mittheilung dieser Bemerkungen gestattete. Das Abgeordnetenhaus überzeugte sich nun allerdings, daß die Oberrechnungskammer ihrer Arbeit blos die auf Vorschrift der oberen Verwaltungsbehörden beruhenden Generalanweisungen für die verschiedenen Cassen zu Grunde legte und dieselben nach dem Maßstab der dauernden Gesetze und Verwaltungsvorschriften, aber nicht nach dem Maßstab des Budgets als eines jährlichen Specialgesetzes prüfte. Immerhin ist nicht abzusehen,' wie weit die Zugeständnisse der damaligen Regierung auch in Betreff einer neuen Anweisung der Oberrechnungskammer zu dem Behuf, die Thätigkeit dieser Behörde der parlamentarischen Finanzcontrolle dienstbar zu machen, gegangen sein würden. Wenn nur das Abgeordnetenhaus für soviel Zugeständnisse auf der einen Seite seinerseits einen Schatten von Zugeständnissen hätte machen wollen! Aber die sämmtlichen Kosten der Reorganisation des Heeres wurden frischweg aus dem Budget gestrichen. Herr von Bismarck trat in das Ministerium, und die parlamentarische Finanzbewilligung hatte auf fünf Jahre ein Ende.
Als das Jahr 1866 die Indemnität für die budgetlose Regierung gebracht hatte, tauchte der Wunsch nach Erlaß des im Artikel 104 der Verfafsungs- urkunde verheißenen Gesetzes über die Einrichtung und Befugnisse der Oberrechnungskammer alsbald wieder auf. Die Gründung der norddeutschen Bundesverfassung und später des deutschen Reiches, welche den Arbeiten des preußischen Landtags Zeit und Kraft verengen mußten, so wie sie der Staatsregierung die rasche Bewältigung zahlreicher und schwerer Arbeiten auferlegten, ließen es bisher nicht zur Vorlage eines solchen Gesetzes kommen. Jetzt ist der Finanzminister Camphausen damit hervorgetreten.
Man muß die Aufgabe/ welche durch dieses Gesetz zu lösen ist, für eine schwierige und ungewöhnlicher Umficht bedürftige erkennen. Die ältere Form des Liberalismus, von welcher die Fortschrittspartei der letzte Ableger ist. und deren Wesen darin bestand, von den wirklich tragenden Kräften des Staats keine Ahnung zu haben, machte sich auch die Aufgabe bezüglich der Oberrechnungskammer leicht. Diesem Liberalismus zufolge ruhte die Regierung im Parlament. Was konnte einfacher sein, als die Oberrechnungskammer'zum Werkzeug des Parlamentes einzurichten? Das Parlament oder vielmehr das Abgeordnetenhaus hatte danach zu verlangen, daß das von ihm bis in das Einzelne dictirte Budget zum Prüfstein der Staatsrechnung gemacht und daß Seitens der Oberrechnungskammer dem Abgeordnetenhaus jede Abweichung von diesem Budget, welche in der Staatsverwaltung vorgekommen, kenntlich gemacht werde. 'Selbstverständlich war für diese Anschauung das Recht des Abgeordnetenhauses, die Oberrechnungskammer jederzeit zu Äuskunftsertheil- ungen, Nachforschungen und Nachweisungcn aufzufordern. Nimmt man hierzu die umfassenden Befugnisse der Oberrechnungskammer in Bezug auf Nachforschungen und Nachweisungsforderungen hinsichtlich der Staatsgelder den übrigen Behörden gegenüber, so würde bei einem solchen Verhältniß der Oberrechnungskammer zum Abgeordnetenhaus, letzteres mit einem Schlag Herr der gcsammten Verwaltung geworden sein.
Inzwischen ist wohl die beträchtlich überwiegende Mehrzahl der preußischen Liberalen, soweit sie den Kreisen der Bildung angehören, zu der Ueberzeugung gelangt, daß es weder wünschenswert!) noch möglich ist, den historisch so glänzend bewährten Organismus der preußischen Verwaltung in der eben geschilderten Weise zum haltlosen Diener des Abgeordnetenhauses zu machen. Für diesen Theil der Liberalen handelt es sich also nur darum, daß das mit der Staatsregierung vereinbarte Budget von der Verwaltung ernsthaft zur Richtschnur genommen werde, daß die Staatsrechnungen nach dieser Richt-