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sammennehmens auf französischer Seite wendeten die Verbündeten ihr Hauptinteresse von der bedrohten Republik ab; der Osten: Polen und die Türkei, nahm sie in Anspruch, und Frankreich gewann einige Zeit, um das Heer, das es, auf Grund allgemeiner Wehrpflicht geschaffen hatte, doch einigermaßen zu schulen.
Zerr von Wühler.
Aus Preußen.
Nachdem Heinrich von Mühler 9 Jahre und 10 Monate lang die Zügel des Cultusministeriums geführt, ist er endlich der feindlichen Stimmung der gebildeten Kreise in Preußen erlegen. Wir wissen nicht, welches der specielle Anlaß der Entlassung gewesen, — der wirkliche Grund ist ganz sicher die allgemeine Verhaßtheit, der Gegensatz, in den er seine Person zu den großen Interessen unseres Staates gebracht hat. Wenig wird heute zu seinem Lobe gehört werden. Wir möchten hier wenigstens einen Versuch machen, trotz der Freude unseres Herzens über den glücklich beseitigten Minister möglichst unbefangen seine Verwaltung zu besprechen und somit einen Beitrag zu liefern zur Untersuchung, weshalb sein Name nachgerade bei allen Parteien so verhaßt geworden ist.
Als Herr von Mühler am 18. März 1862 ins Cultusministerium einzog, war er nicht allzu bekannt/ Das wußten manche von ihm, daß er einstens, ein flotter Bursche, ein munterer Dichter sehr beliebter Trinklieder und nicht außergewöhnlich schlechter Liebesgedichte gewesen. Andere erinnerten sich eines wissenschaftlichen Werkes über die brandenburgische Kirchenverfaffung, dem ernsthaftes Studium, Einsicht und Urtheil nachgerühmt wurde, und das für specielle kirchliche Interessen seines Verfassers Zeugniß abzulegen geeignet war. Den meisten Menschen war er wohl bekannt als der Sohn seines Vaters, des früheren Justizministers von Mühler. Er selbst hatte gerade keine hervorragende Rolle gespielt, weder stieß er auf Sympathien noch große Antipathien.
Als Minister legte Herr von Mühler anfangs großen Fleiß und Eifer an den Tag. Er arbeitete, wie man hörte, viel: dabei war er ein wohlwollender, freundlicher, fchlichter Herr in persönlichem Verkehr. Wir glauben gern, daß seine Beamten und seine nächsten Untergebenen ihn liebgewonnen haben. Wer ihn besuchte, wer Audienz bei ihm hatte, konnte leicht den Eindruck mit nach Hause nehmen, daß er bei einem einfachen, gemüthlichen und
nicht übermäßig starkgeistigen Landpfarrer gewesen sei. Und seine persönlichen Grmzbotm I. 1872. ' 40