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die Velleitäten der Preußischen Altconservativen und gegen die Prätensionen des kleinstaatlichen Particularismus geführt haben, scheint das Bild und die Thätigkeit Delbrücks am reinsten und größten. Er hat die allergrößten Verdienste, daß die bedeutendsten und wichtigsten Gesetzentwürfe aus diesem Kampfe alle verbessert und geklärt hervorgegangen, und als Bundesgcsetze wirklich zu Stande gekommen sind. Er hat bei allen wesentlichen Fragen stets die nationalen Aufgaben des Bundes über die particularen Liebhabereien seiner Glieder, die freisinnigen Lebensbedingungen moderner Wirthschaft über die abgelebten Privilegien gewisser Stände und Kasten gestellt. Er hat von diesem Gesichtspunkt aus nicht selten die Befürwortung liberaler Amendements des Reichstags gegen die bureaukratische Eigenrichtigkeit feiner eigenen Räthe übernommen, so namentlich bei den Verhandlungen über den Entwurf der Gewerbeordnung im Frühjahr 1869. Er hat mit derselben Entschiedenheit gegen die Thorheiten der Zünftler, oder die Privilegirung des landwirthschaft- lichen Credites :c. sich gekehrt, wenn die altconservative Partei sich zur Sprecherin dieser Verirrungen machte; er hat endlich im Frühjahr 1870, im Bunde mit der großen Mehrheit des damaligen Reichstags, mit Erfolg die Gefahr von uns abgewendet, daß wir den von den „Kleinen" im Bundesrathe durchgesetzten particularistischen Entwurf eines Gesetzes über den Unterstützungswohn- sitz als Bundcsgesetz erhielten.
In allen diesen wechselnden Verhandlungen hat er sich als ein streng offener redlicher Charakter erwiesen; niemals ist ihm beigekommen, durch verstecktes Spiel die häufig nicht geringen Schwierigkeiten der Lage zu ebnen, wie der frühere Finanzminister v. d. Heydt mehr als einmal gethan, indem er z. B. für die Bewilligung der Petroleumsteuer zugleich den Freihändlern Ermäßigungen, und zugleich den Schutzzöllnern Erhöhungen der Tarife auf dieselben Artikel als Gegengeschenk anbot. Jene ersten Jahre des norddeutschen Bundes, wo „die todte Hand des Herrn Justizministers" (Lippe) die Entwickelung der nationalen Gesetzgebung lähmte, und die vollendete Unredlichkeit und Doppelzüngigkeit v. d. Heydt's das gute Vertrauen zwischen der leitenden Bundes-Negierung und der Volksvertretung gefährlich bedrohte, und alle finanzpolitischen Gesetze und die Zolltarifreform für Jahre verzögerte, mag Delbrück die schwersten Tage seines Amtes gesehen haben. Wir haben ihn damals vor dem Reichstag eoutre eveur eintreten sehen für die v. d. Heydt'sche Steuermzya, für die verfehlten Tarifvorlagen desselben Ministers vor dem ersten und zweiten deutschen Zollparlament. Diese falsche Stellung entsprang aus dem unnatürlichen Verhältnisse, daß der Präsident des Bundeskanzleramts an letzter Stelle aus dem preußischen Staatsministerium seine Weisungen empfing, ohne selbst in diesem Sitz und Stimme zu haben. Bekanntlich ist dieß seitdem anders geworden. Die Verleihung der Würde eines preußischen