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Ultramontane Umtriebe in Rudolstadt.
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Z. 2. Dem Bischof von Paderborn wird insbesondere die Befugniß einge­räumt, in unserer Residenz eine ständige katholische Seelsorgerstelle zu errichten. Der vom Bischof ausgewählte Seelsorger ist jederzeit vor der Einweisung in sein Amt uns zur Genehmigung zu benennen. Wir werden diese Genehmigung nur aus wichtigen staatlichen Gründen versagen. Der gedachte Seelsorger übt die eura, aiumarum über sämmtliche in der Oberherrschaft lebende Katho­liken , versieht alle pfarramtlichen Handlungen bei denselben mit Ausnahme der Führung der Kirchenbücher, und bezieht die Stolgebühren. Doch soll den gegenwärtig im Amte befindlichen evangelischen Pfarrern der Anspruch auf die in ihrer Parochie vorkommenden Stolgebühren ad äies luuusris vor­behalten bleiben. Die auf der Gemeindegesetzgebung beruhenden Abgaben werden hierdurch nicht berührt. Taufen, Trauungen und Sterbesälle sind dem evangelischen Pfarrer, in dessen Parochie der Fall vorkommt, zur Eintragung in das Kirchenbuch unverzüglich anzumelden, und erhält letzterer für die Ein­tragung die betreffenden Gebühren. Dies fällt fort, sobald sich eine selbständige katholische Gemeinde mit unserer Genehmigung eon- stituirt haben wird.

§. 3. Der katholische Seelsorger resp. Pfarrer besorgt auch den Religions­unterricht der katholischen Elementar-Schulkinder. Auch behalten wir uns vor, die Genehmigung zur Errichtung einer eigenen katholischen Elementarschule, wenn hierzu das Bedürfniß nachgewiesen ist, zu er­theilen und dem katholischen Seelsorger resp. Pfarrer, nachdem derselbe vor einer inländischen oder königlich preußischen Prüfungscommission seine dies- fallsige Qualifikation nachgewiesen haben wird, den gesammten Elementarun­terricht der katholischen Schulkinder bis zur Bestellung eines besondern katho­lischen Elementarlehrers zu übertragen."

Diese Verordnung hat mit Recht im ganzen Fürstenthum peinliches Auf­sehen erregt und Befürchtungen hervorgerufen, die nur zu begründet erscheinen, und das kaum einigermaßen wieder hergestellte gute Verhältniß zwischen Re­gierung und Volk in sein Gegentheil zu verwandeln drohen. Im März vorigen Jahres brach zwischen Regierung und Landtag ein Zwiespalt über die von ersterer beabsichtigte Erhöhung der Steuern aus, der zur Auflösung des letzteren führte, aber auch mit der neuen Vertretung des Ländchens nicht beigelegt werden konnte, weil man den im Gerüche ultramontaner Absichten stehenden Minister v. Bertrab durch Nichteingehen auf seinen Plan zum Rück­tritt zu zwingen hoffte. Dies gelang nicht; denn der gedachte Herr gehört zu den dauerhaften Ministern. Die Ereignisse der Kriegszeit ließen die erwähn­ten Differenzen in den Hintergrund treten. Unser junger Fürst erwarb sich dadurch, daß er den ganzen Feldzug hindurch standhast bei seinem Bataillon verblieb, dessen Schicksal theilte und wohlwollend für dasselbe sorgte, Liebe

Grmzbotm I. 1872. 14