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immer mehr zum Lebensbedürfnisse werden sollte. Dieser Briefwechsel, wie er in der neuesten Ausgabe der Werke des großen Königs in drei stattlichen Bänden und 670 Nummern vor uns liegt, bietet von mehr als einer Seite ein nicht gewöhnliches Interesse. Es sind die zwei bedeutendsten Männer ihrer Zeit, die Vertreter zweier Nationen — denn Friedrich, wenn auch französisch gebildet, verleugnet doch die deutsche Art und Natur keineswegs —, in ganz verschiedenen Lebensstellungen, doch einer wie der andere in der seinigen der Erste, die sich so vertraut, wie es zwischen einem Fürsten und einem Schriftsteller möglich, ist, iy all den verschiedenen Situationen, wie sie sich in einem ereignißreichen Leben während eines so langen Zeitraums ergeben, einander mittheilen. Eben diese Veränderungen in der Stellung, der äußeren sowohl als der inneren, bei beiden Männern verleihen ihrem Briefwechsel in seinem Verlauf die spannende Anziehungskraft eines Dramas, eines Romans. Aeußerlich, wie der Prinz zum König, der König zum siegreichen Feldherrn, dann zum weisen Gesetzgeber und Herrscher, endlich durch furchtbare Schicksalsproben hindurch zum unüberwindlichen Helden, zum großen Manne des Jahrhunderts emporwächst; während auf der anderen Seite der Schriftsteller, bei steigender Leistung doch äußerlich noch in schwankender Stellung, nach mancherlei Ortswechseln und Versuchen, sich endlich eine Existenz zu gründen weiß, in welcher er dem königlichen Gönner in fürstenmäßiger Unabhängigkeit gegenübersteht, — schon diese Veränderungen in der äußeren Stellung der beiden Theile bringen in ihren brieflichen Verkehr einen Wechsel des Tons und der Stimmung, der Lichter und Farben, der nicht blos reizend, sondern, da es zwei gehaltvolle Menschen sind, die sich darin zeigen, zugleich überaus lehrreich ist. Die tiefste Anziehungskraft des Briefwechsels aber liegt in den inneren Wandlungen, welche das Verhältniß der beiden Männer erfährt. Der Ansang gleicht einem schönen Morgen: Der 24jährige Prinz voll Krastgefühl und Bildungsdrang, der aber Alles, was in ihm ist, erst künstig noch zu bewähren hat, kommt dem 42 jährigen, längst weltberühmten Schriftsteller mit der wärmsten Huldigung entgegen, die von diesem gewandt und anmuthig, mit freundlicher Zuvorkommenheit erwiedert wird. Einzelne Vorzeichen möglicher Trübung des schönen Verhältnisses schien während der folgenden Jahre, die beide Männer einige Male zusammenführen, zwar nicht: doch erst als es dem einen gelungen ist. den andern ganz an sich zu ziehen, erst als Voltaire zu bleibendem Aufenthalt an Friedrichs Hof gekommen ist, ergeben sich ernste Verwickelungen, die Anziehung schlägt mit einem Male in Abstoßung um, der Briefwechsel hört 5us, und aus den Aeußerungen beider Theile in Briefen an dritte Personen spricht eine Erbitterung, die das Verhältniß als unwiederbringlich vernichtet erscheinen läßt.