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über Städteleben, Recht und Ordnung, seit dem^ Eindringen der socialen Fragen ein neues Auge für Hörigkeit, Sclaverei, für Geld« und Werthverhältnisse des Alterthums. Jedes neu eröffnete Gebiet gibt durch seinen Gewinn selbstverständlich auch neue Gesichtspunkte für andere Gebiete. Und alles Neugefundene auf dem fast unermeßlich weiten Raum bestimmt auch dem Forscher die Richtung, der auf altem Grunde seine Furchen zieht. So ist es jetzt eine weit andere und weit schwerere Aufgabe, in guter Weise Vocal- geschichte zu schreiben, als zur Zeit unserer Ahnen.
Das Blatt gedenkt seines Namens, wenn es die Aufmerksamkeit der Leser gern nach den Grenzlandschaften richtet, wo das deutsche Leben sich seit der Sachsen- und Stausenzeit mit junger Colonistenkraft erobernd ausgebreitet hat.
Wir nennen zuerst eine musterhafte Arbeit: Landes-und Volkskunde des Fürstenthums Reuß j. L. im Auftrage des regierenden Fürsten, verfaßt von G. Brückn er, 2 Theile, Gera 1870. Der Verfasser, Archivrath in Meiningen, hatte durch seine Landeskunde des Herzogthums Meiningen bewiesen, wie man ein topographisches Werk dieser Art nutzbar für Geschichte und Alterthümer machen kann. Er ist unter den Lebenden wohl der gründlichste Kenner der Localgeschichte und Alterthümer Thüringens und des östlichen Frankens; wir danken ihm außer dem Henneberg'schen Urkundenbuch, dessen zweiten und dritten Theil er herausgab, eine ganze Reihe schätzenswer- ther Beiträge zur Geschichte Mitteldeutschlands, darunter in letzter Zeit eine Abhandlung über den Rennstieg, in welcher er die alte Stammgrenze zwischen Thüringen und Franken eingehend behandelt. Es war eine gute Wahl, daß ihm Geschichtebeschreibung und Topographie eines thüringschen Grenzlandes überwiesen wurde, welches als uralter Besitz eines großen deutschen Stammes und im Mittelaller als Grenzland zwischen Deutschen und Slaven nach vieler Hinsicht besonderes Interesse beanspruchen darf. Dies Gebiet an der obern Saale war die cevtrale Landschaft des alten Vogtlandes unter Reichsvögten, lange Zeit ein befestigter Stützpunkt der deutschen Colonisation. Dort halten vor Einwanderung der Slaven bis zur Elbe die Turiheimer gesessen als ein Zweig der Groß-Duren. Seit die deutsche Volkskraft in der Völkerwanderung dünn wurde, waren slavische Sorben eingewandert, wahrscheinlich vom Nordosten her, aber die deutsche Art scheint auch in dieser Gegend niemals ganz untergegangen zu sein, wenigstens haben sich einzelne deutsche Ortsnamen von sehr alterthümlichem Gepräge erhalten, welche nicht jünger sein können, als die Karolingerzeit. Seit dem 9. Jahrhundert dringen wieder deutsche Krieger und Colonisten ein, die sorbische Mark wird ein Theil des deutschen Reiches, von Franken und Thüringen besetzt, das jetzt regierende Haus beginnt im 12. Jahrhundert seinen Besitz zusammen zu ziehen.