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Helbig, W.:Die campanischen Wandbilder und die Malerei des Hellenismus.
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der Firniß, mit welchem die Wände bald nach ihrer Bloßlegung überzogen zu werden pflegen, immerhin gewisse Abwandlungen der ursprünglichen Far- benscala hervorruft, so muß die Untersuchung unmittelbar nach Ausgrabung der betreffenden Räume stattfinden. Hoffen wir, daß die durch Fiorelli's Fürsorge in Pompei gegründete archäologische Schule sich die Lösung dieser ihr ganz naturgemäß anfallenden Aufgabe angelegen sein lasse. Sollte sich hierbei auch kein consequent beobachtetes Gesetz herausstellen, sollte sich viel­mehr ergeben, daß die einzelnen Wandmaler nach eigenem Ermessen mehr oder minder bestrebt waren, die verschiedenen Bestandtheile der Decoration in Einklang zu bringen, so wäre auch dieses letztere Resultat für die Frage, welche uns gegenwärtig beschäftigt, wichtig genug. Immerhin stellt sich ein neues Moment heraus, welches unter Umständen die genaue Wiedergabe der Compositionen beeinträchtigte, die bei der Herstellung der Mittelbilder zu Grunde lagen.

Ferner ist bei dieser Frage eine in der Regel nicht gehörig berücksichtigte Eigenthümlichkeit der Einrichtung des antiken Hauses in Betracht zu ziehen. Nur sehr wenige Zimmer desselben hatten ein volles Licht; selbst im Atrium und im Peristyl war es mehr oder minder durch den Verschluß der zwischen den ein­zelnen Säulen angebrachten Teppiche gedämpft. In den neuerdings ausgegrabe­nen Häusern Pompeis, wo die betreffenden Stellen noch nicht durch die oft sehr schonungslose Hand des Restaurators mit Stuck zugeputzt sind, erkennt man deutlich die Vorrichtungen, welche zur Befestigung der Vorhänge getroffen waren. Allenthalben sind an den nach dem Jmpluvium gerichteten Seiten der Säulen Nägel oder Haken angebracht, denen öfters an den gegenüberlie­genden Wänden des Porticus Klammern entsprechen. Man sieht deutlich, daß die Vorhänge unter Umständen von den Säulen nach den Wänden her­übergezogen werden konnten, wodurch gewisse Theile des Porticus isvlirt und zugleich eine eigenthümlich malerische Wirkung erzielt wurde. Aus dieser Beobachtung ergibt sich, daß eine auf die Einzelheiten eingehende Durchbil­dung der die Wände schmückenden Bilder in der Regel eine höchst überflüssige Mühwaltung gewesen wäre. Mannigfache Eigenthümlichlichkeiten in der Be­handlung der Bilder, die gegenwärtig, wenn man sie bei vollem Lichte be­trachtet, dürstig oder gar hart erscheinen, werden durch diesen Gesichtspunkt hinreichend gerechtfertigt. In den mangelhaft beleuchteten Magazinen des Neapler Museums machten selbst sehr decorativ behandelte Bilder einen höchst befriedigenden Eindruck. Die Beschaffenheit des Locals, für welches die Bilder bestimmt waren, ist bei ihrer Beurtheilung ebenso zu berücksichtigen wie bei der Beurtheilung der Sarkophagreliefs, die sich vollständig anders darstellen, wenn wir sie statt unter klarem Sonnenlichte in einem Halbdunkel betrachten, wie das der Grabkammer vorauszusetzen ist, für die sie bestimmt.waren. Mag