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Auch Graf Bismacck hat mehr gesagt, als nützlich war. Die Bemerkung über geheime Einwirkungen auf das treue Gemüth des Abgeordneten Laster hätten wir weggewünscht und noch mehr die kränkende Andeutung aus eine gewisse Ermüdung der badischen Regierung und auf die Länge der Zeit, welche bis zum Eintritt Badens möglicherweise verstreichen könne. Denn es ist klar, daß dieser Ausspruch aus seinem Munde für die preußische Partei und das preußisch-gesinnte Ministerium in Baden kein Gewinn sein kann. — Anderes in seinen Reden war wieder bedeutend und charakteristisch: die eigenthümliche Mischung von kluger Hinterhältigkeit und rücksichtslosem Aussprechen, das geheime fatalistische Vertrauen auf seine glückliche Hand, die verbindliche Annahme, welche er in seinen Reden jetzt zuweilen der nationalen Partei eröffnet, daß sie dereinst die Ministersitze einnehmen werde. Vieles in seinen wirkungsvollen Reden ließ die Hörer unsicher, ob es sorgfältig überlegte Worte eines verdeckten Staatsmannes, oder frische Improvisation eines kräftig angeregten Gemüths war.
In der Hauptsache fühlten sich beide Theile gehindert, die volle Wahrheit zu sagen. Seit vier Jahren ist die Opporrunität der Mainlinie die große Streitsrage, welche nicht nur die Parteien, auch die Parteigenossen scheidet. Auch in der nationalen Partei ist die Zahl derer nicht gering, welche sür zweckmäßig erachten, dem Bunde vorläufig die demokratische Zuchtlosigkeit und die ultramontanen Tendenzen des Südens fernzuhalten. Die sortgesetzte Unsicherheit und Zwiespältigkeit im Urtheil ist vielleicht schon an sich ein Beweis, daß kluge Erwägungen hier gar nicht allein zu entscheiden das Recht haben. — Der Bundeskanzler selbst hat in dieser Frage längst Partei genommen. Als er im Jahre 1866 den Frieden schloß in Stunden, wo ihm Gedanken und Willen aufs Höchste gespannt waren und wo er unter dem Eindruck ungeheuerer Ereignisse mit schnellem Entschluß wie nach Inspirationen arbeitete, damals wählte er zwischen zwei Wegen. Er konnte auf Grundlage des alten Bundes und seines Programms vom 10. Juni unseren neuen Bundeestaat mit Ausschluß Oestreichs aus widerstandslosem Material für ganz Deutschland cvnstruiren. Dann wurde die Reorganisationsarbeit schwieriger und es wurde ein Bundesstaar, bei dem wir doch jetzt auch angelangt sind. Er wählte die Aussicht auf einen enger concentrirten Staat, in dem er damals wahrscheinlich die Einheit straffer zu begründen hoffte. Er wählte so im Einklänge mit seinem ganzen Wesen; wir, die Mitlebenden, haben deshalb keinerlei Recht, ihm einen Vorwurf zu machen, erst der Nachwelt wird es zustehen nach dem letzten Erfolg darüber zu urtheilen. Das weiß der Bundeskanzler wohl und es ist natürlich, daß er eifrig bemüht ist. den Beweis zu sühren, wie er damals am Main und in Sachsen das Rechte gewählt hat, und daß er leicht in jeder anderen Auffassung eine abfällige Beurtheilung seiner großen That argwöhnt.
Durch Verträge schnürte er die Südstaaten an den Nordbund. Und er sprach neulich im Reichstag mit Emphase aus, daß durch diese Verträge ein Stück kaiserlicher Gewalt für den Kriegsherrn des norddeutschen Bundes gewonnen sei, wie seit 500 Jahren kein Kaiser besessen. Nach den Verträgen gewiß, aber er selbst täuscht sich zuverlässig am wenigsten darüber, daß durch diese Verträge für die Südstaaten noch nicht der gute Wille und nicht die Fähigkeit gewonnen ist, den Verträgen im Fall der Noth nachzukommen. Er wird weder auf die Zuverlässigkeit der neuen Militäreinrichtungen in Bayern und Würtemberg übergroßen Werth legen, noch von der Energie der südlichen Regierungen erwarten, daß sie in Zeiten der Prüfung über einer abgeneigten Bevölkerung ihre Vertragspflicht erfüllen.