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haben glaubt, wird es die Commission schwerlich vielen Leuten recht gemacht haben. Die Fanatiker der Todesstrafe von der Farbe des Grafen zur Lippe beklagen die Ausmerzung von 11 Capitalparagraphen im preußischen Strafgesetzbuch. Die Fanatiker der Humanität, des Fortschritts, der Abolition wollen schlechterdings Nichts mehr von der mittelalterlichen Institution des Todes hören. Im Königreich Sachsen wehklagt man über die der grandiosen Errungenschaft des sächsischen revidirten Strafgesetzbuchs vom 1. Oktober 1868 drohende Gefahr und es muß diesen königlich sächsischen Abolitio- nisten neuesten Datums sauer genug zu Gesicht stehen, den Generalstaatsanwalt Dr. Schwarze, wenn auch vielleicht in der Minorität der Commission, doch wieder unter den Redactoren dieser norddeutschen Codification zu sehen. Auch im Uebrigen darf bezweifelt werden, ob unsere Revisoren des preußischen Strafgesetzbuchs nicht in der That dem Zeitbewußtsein näher gekommen wären, wenn sie en mg-tiers politiyue die Todesstrafe ganz fallen gelassen, sie auf den qualificirten Mord beschränkt und den Geschwornen das Recht der Annahme mildernder Umstände eingeräumt hätten. Doch wollen wir nicht vergessen, daß ein Großstaat wie Preußen in solchen Capitalfragen der Criminalpolitik sich nicht leicht ohne Noth zu gewagten Sprüngen entschließt. Ein erheblicher Fortschritt gegen das Strafgesetzbuch v. 14. April 1851 ist auch hier entschieden erreicht und der Schwall der abolitionistischen Literatur, die an die verstandesdürre Zeit der Ausklärungsperiode erinnert, ist ganz dazu angethan, auch unbefangene Leute in eine konservative Opposition hineinzutreiben.
Eigenthümlich ist das Kompromiß, auf welches der vorliegende Entwurf in der unseren bürgerlichen. Anschauungen so widerstrebenden Frage der Aberkennung des Adels verfallen ist. Während der preußische Entwurf im §. 26 mit dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte den Adligen definitiv und für alle der Rotüre zuwies, hat die Commission diese widerwärtige Bestimmung anscheinend in den §§. 28 und 30 ganz eliminirt. Dafür mußte aber im folgenden §. 31 den Standesvorurtheilen doch noch das Zugeständniß gemacht werden, daß mit der zeitigen Aberkennung der bürgerlichem Ehrenrechte die zeitige Unfähigkeit, „den Adel zu führen", verbunden sein soll. Ich sollte meinen, daß unser Adel, wenn er adlig denkt, es selbst am meisten verabscheuen müßte, derartige Unterscheidungen gelten zu lassen, die den ehrlosen Mann von heute morgen wieder als speciellen Genossen dem Stande zuführen.
Am schärfsten und interessantesten heben sich die Veränderungen des revidirten Entwurfs auf dem Gebiet der politischen Verbrechen ab. Wir re- gistriren folgende Commissionsbeschlüsfe von bedeutungsvoller materieller Natur: 1) die Senate der freien Hansestädte gelten nicht mehr als
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