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setzte sich mit dem damals berühmten englischen Bauunternehmer Sir Morton Peto in Verbindung. Es erschien ein Prospectus mit einer Aufforderung zur Actienzeichnung. Die Kosten waren zur 12 Millionen Thaler veranschlagt, also bei einer Länge der Bahn von 29 Meilen zu ungefähr 414,000 Thlr. auf die Meile. Davon sollten 6 Millionen Stamm-, 4 Millionen Prioritäts- und 2 Millionen Stamm-Pnoritäts-Actien sein. Von den letzteren, welchen man eine Verzinsung von 4^ Procent und noch einen eventuellen Antheil an der Dividende versprach, sollte, darauf rechnete man, die Hälfte, also eine Million Thaler, in Mecklenburg-Strelitz untergebracht werden.
Die Bevölkerung hatte aber kein rechtes Vertrauen zu dem Unternehmen, obgleich die Mitglieder der Großherzoglichen Familie das Aeußerste aufboten, um durch ihr Beispiel zur Nachahmung anzufeuern. Die Großherzogin zeichnete 20.000 Thlr. Actien, die Großherzogin-Wittwe 15.000 Thlr., die beiden Geschwister des Großherzogs, Herzog Georg und Herzogin Caroline, je 10,000 Thlr. Der Großherzog Friedrich Wilhelm selbst war mit 500.000 Thaler vorangegangen. Aber im Ganzen brachte man doch, außer der letzteren Zeichnung, nur 177,000 Thlr. zusammen, einschließlich der Beiträge der Familie des Großherzogs und der Städte Stargard und Fürstenberg, welche aus Communalmitteln bez. 20,000 und 10,000 Thlr. übernehmen wollten. Ueberdies waren unter diesen Zeichnungen 60,000 Thlr. an Bedingungen wegen gewünschter besonderer Richtung der Bahn geknüpft. Ein Versuch, die Stände zu einem Zuschüsse von 250,000 Thlr. zu bewegen, von welchen 130.000 Thlr. auf die Centralsteuereasse und 100,000 Thlr. auf die ritterschaftliche Necessariencasse übernommen werden sollten, blieb gänzlich erfolglos, auch als demnächst die Forderung um 50,000 Thlr. ermäßigt wurde. Der Antrag des Großherzogs wurde von den Ständen beide Male (im Juli und im September 1865) „wegen ungenügender Vorlagen" abgelehnt, was das ministerielle Blatt, die „Neustrelitzer Zeitung" in große Entrüstung versetzte und zu der Drohung mit einer Umgehung des Landes durch die Eisen, bahn hinriß.
Dem Großherzog blieb schließlich, wenn die Hoffnung auf eine Bahn nicht an der Lauheit seiner getreuen Unterthanen scheitern sollte, nichts übrig, als seine eigene Zeichnung auf 850,000 Thlr. zu erhöhen. Nunmehr glaubte die Hofzeitung officiös verkündigen zu können, daß damit das letzte pecuniäre Hinderniß hinweggeräumt sei und daß schon im nächsten Frühjahre mit dem Bau der Bahn werde begonnen werden. Die Bewohner der Residenz waren von der Opferwilligkeit des Großherzogs tief ergriffen. Als im Neustrelitzer Gewerbeverein die Allerhöchste Entschließung mitgetheilt wurde, erhob sich die ganze Versammlung wie Ein Mann und gab den Gefühlen der Dankbarkeit Grenzboten IV. 1869. . 30