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übrigen Deutschen, die unter Peter dem Großen an den Zaarenhof gekommen, durchaus verschieden. Bei ihm ist von der stolzen und barschen Art, mit welcher die Münnich und Biron ihren Weg gingen und ihre eigene Politik trieben, ebenso wenig zu spüren, wie von der vornehmen diplomatischen Kälte und Feinheit, durch welche Ostermann sich in allen Phasen seines bewegten Lebens auszeichnete, — die Stunde nicht ausgenommen, in der dieser hervorragendste, ächteste Repräsentant der auswärtigen Politik Peters auf dem Schaffst stand. Verglichen mit diesen stolzen Gestalten, in denen selbst ihre Gegner Personisicationen staatsmännischer Weisheit und Tapferkeit verehren mußten, erscheint der Kammerrath und Vicepräsident des Commerzcollegiums, der es bald mit den Petrinern, bald mit den Holsteinern, endlich mit den oligarchischen Altrussen hielt, als brutaler, blos auf einen möglichst reichen Beuteantheil bedachter Plebejer, als Glücksritter im eigentlichsten Wortverstande. Geschmeidig weiß er sich stets in die Formen zu schicken, welche in der Mode sind, jedes Mal die Umstände zu seinem Vortheil zu benutzen und kein zum Ziel führendes Mittel zu verschmähen — darin der Typus des Deutsch-Russen, den das Jung- und Altrussenthum gleich tief gehaßt, gefürchtet und verachtet haben, ein „ächter Mameluk der Regierung". Aber die Fähigkeiten und Kräfte dieses Mannes können nicht gemeiner Art gewesen sein und geben uns eine Vorstellung davon, wie groß das Geschick und die Menschenkenntniß gewesen sein müssen, welches der Schöpfer des modernen Nußland bei der Wahl seiner Leute bewiesen. Der in den beschränkten Verhältnissen einer schleswigschen Stadt geborene, unter engem Gesichtskreis aufgewachsene Rathsherr von Flensburg, von dem nicht ein Mal feststeht, ob er nicht in seiner Jugend „Musterschreiber" gewesen, weiß sich in der Sphäre, in die er plötzlich gerückt ist, so rasch zu acclimatisiren, daß Peter ihn schon nach wenigen Jahren der Bekanntschaft mit einem diplomatischen Auftrage betraut, bei dem es' sich um Nichts weniger, als das Studium des gesammten schwedischen Finanz- und Verwaltungswesens und dessen Anwendung auf russische Verhältnisse handelt. Nicht nur, daß dieser Auftrag so tüchtig ausgeführt wird, daß Peter seinen Träger mit Zeichen der Zufriedenheit überhäuft, seine Entwürfe der Hauptsache nach ausführt, — der Emporkömmling, der diese rasche Laufbahn gemacht, ist so selbständig geblieben, daß er neben der officiellen noch private Politik treibt und Studien über die Anwendbarkeit schwedisch-„republikanischer" Muster auf dem Boden des altrussischen Bojarenthums anstellt und den gehörigen Augenblick wahrnimmt, den Moskowitischen Aristokraten zu sagen, woran es bei ihnen eigentlich gebricht. Vergleicht man diese kühle und skeptische Haltung mit der Hingebung, welche die übrigen in Rußland zu Macht und Ansehen gelangten deutschen Gehilfen Peters ausnahmslos der