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die sie handhaben, großenteils aus dem clericalen Lager genommen sind und in entgegengesetzter Richtung wirken. Auf dem Papier haben wir den Fortschritt, im Leben aber sind wir um keinen Zoll weiter gekommen. Die wackerm Herren machen auch aus ihrer Herzensmeinung nicht den geringsten Hehl, sie sprechen es offen aus, daß sie in nächster Zeit auf den Umsturz des gegenwärtigen Ministeriums rechnen, und arbeiten schon jetzt im Dienste des kommenden. Auch sie meinen: „Wenn Sturm und Rausch vorüber, läßt sich Alles abthun". Die Zukunft wird lehren, ob sie recht haben.
Aus dem Musikleben Wiens.
Anknüpfend an die Wiener Mittheilungen d. Bl. im November 1867 und Juni 1868 folgt hier ein Ueberblick der letztverflossenen Saison 1868/69 — dem Leser ein fortlaufendes Referat bietend von Wiens musikalischer Thätigkeit, in der Absicht, den Freunden in Deutschland von dem zu berichten, was uns mit ihnen vor Allem gemeinsam ist, von unserer Kunst.
Eine Uebersicht der jüngsten Leistungen der Hoso pernbühne ist im Augenblick um so bedeutsamer, als die in wenig Tagen eintretende Ueber- siedelung ins neue Opernhaus manche Veränderung in diesem Institute nach sich ziehen wird. Die folgenden Zeilen haben den Zeitraum vom 1. Juli 1868 bis Mitte 1869 im Auge, also (die Ferienzeit mitgerechnet) fast ein volles Theaterjahr. Im Laufe desselben hat das Personal der Bühne mehrfachen Wechsel erfahren. Fräul. Jda Beuza, im Augenblick, wo sie sich zu entpuppen begann, wurde fahnenflüchtig und weilt seitdem in Italien. Die rasche Entwickelung ihres Talentes berechtigte zu bedeutenden Erwartungen, die hoffentlich, wenn auch unter fremdem Himmel, erfüllt werden. Ein unerwarteter Ersatz wurde der Oper durch den Gewinn der bisher im Karltheater beschäftigten Frau Friedrich-Matern a. Der Sprung von Offenbach zu Beethoven, so waghalsig er ist (die tapfere Frau trat bereits im Fidelio auf), gelang ihr überraschend. Blickt auch überall mehr die glücklich das Richtige treffende Naturalistin heraus und ist Vieles noch auszumerzen — der Wille ist da und die Mittel scheinen mit der Höhe der Aufgabe zu wachsen. Nach drei Gastrollen wurde die Sängerin engagirt. Auch ein ganz tüchtiger Baß,, Herr Hablawetz aus Graz, der als Gast gefiel wurde vom Jahre 1870 an auf drei Jahre gewonnen. Für den abtretenden Tenor Zottmayer trat Georg Müller aus Kassel ein, dessen frische, nament-