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bemerkbar, die um so unangenehmer berührt, als gerade zu Hannover'scher Zeit übertriebene Verschwendung herrschte.
Die schlimmsten Mißgriffe indeß, welche von der Regierung gemacht sind und welche es den wärmsten Freunden der nationalen Sache erschweren, die widerstrebenden Elemente mit den neuen Zuständen auszusöhnen, bestehen in der Auswahl der Persönlichkeiten für mehrere der hervorragendsten Verwaltungsstellen. In dieser Hinsicht hat der commissarische Landdrost von Ostfriesland, ein Kreuzzeitungsmann von reinstem Wasser, selbst dieser der Preußischen Regierung 1866 so freudig entgegenjubelnden Provinz den Ueber- gang erschwert. In Ostfriesland ist in letzter Zeit ein bet dem allzu hohen Wogen der Begeisterung und den übersanguinischen Hoffnungen des großen Jahres von allen Einsichtigen schon damals für unvermeidlich erkannter Rückschlag eingetreten, der allerdings keinerlei Gefahren in sich trägt, vielmehr nothwendig war, um Alles in die richtige Bahn zu lenken. Eine 50 Jahre lang unterdrückte Erbitterung gegen alles schlechthin Hannöversche kam da- Mals zum Ausbruch, und wie es bei so tiefer Aufregung eines sonst stillen und bedächtigen Volksstammes stets geschehen wird, wurde die Einseitigkeit übermächtig und das Kind wurde mit dem Bade ausgeschüttet. Jeder von Hannover nicht berücksichtigte Wunsch Ostfrieslands wurde, auch wenn er unerfüllbar war, jetzt zur Beschwerde wider Hannover und seine sofortige Erfüllung durch Preußen als zweifellos betrachtet. Wie sich bei jeder noch so reinen und edlen Volksbewegung auch Persönlichkeiten mit unlauteren und selbstsüchtigen Motiven in den Vordergrund zu drängen wissen, so auch hier. Gemeinnützigkeit und ordinaire Speculation mischten sich, und im ersten Rausche wurde Alles geglaubt und von der Regierung Alles erwartet. Cana- lisirung sämmtlicher Meere, Eisenbahn am Leer über Aurich nach Norden und Wittmund, Küstenbahn von Norden nach Heppens, Anlage eines Kriegshafens bei der Knock, Aufhebung der dem Fiscus zufließenden sogenannten suspendirten Gefalle, Errichtung von Leuchtthürmen auf den Inseln waren nur die bescheidensten Forderungen, von der °Musse wurden noch ganz andere Ansprüche erhoben und auf ihre Erfüllung mit fester Zuversicht gezählt. Die Ostfriesen glaubten für das unleugbare Verdienst, zuerst und fast allein mit Entschiedenheit für die preußische Sache eingetreten zu sein, auch auf materielle Belohnung Anspruch erheben zu können, und hofften namentlich aus Kosten der übrigen Theile Hannovers, die der Einverleibung in Preußen wehr oder minder entschieden widerstrebten, auf erhebliche Bevorzugung rechnen zu dürfen.
Neben der Bevorzugung der Provinz wurde von manchen Seiten auch Demüthigung und rücksichtslose Behandlung des verhaßten Hannoveraner- thums erwartet. Petitionen wurden colportirt und eifrig unterschrieben.