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Briefe aus Sicilien.
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den Dom bauen ließ, war von England herübergekommen. Die etagenweise mit Säulchen bekleideten Rundungen, welche die Ecken der beiden Thürme umfassen, dienen offenbar dazu, den Strebepfeiler zu ersetzen und dem ganzen Ausbau Halt zu geben; aber an ihnen läßt sich gerade deutlich erkennen, daß wo der Spitzbogen in größeren Verhältnissen angewandt wird, wie bei diesen Thürmen, der Strebepfeiler und Strebebogen eine Nothwendigkeit der Construction ist. Denn beide Thürme sind oben weit auseinandergewichen und werden nur nothdürftig durch starke Klammern noch zusammengehalten.

Das Innere des Domes hat für uns Deutsche durch die Gräber, die es enthält, ein hohes gemüthliches Interesse. Es ruhen da in alten Porphyr­sarkophagen unter einfachen Baldachinen die Kaiser Heinrich VI. und Frie­drich II. von Hohenstaufen, die beiden Constanzen und andere erlauchte Sippe. Im Jahre 1781 sind die Sarkophage geöffnet worden, da fand man den Kaiser Friedrich mit seinen Waffen und im vollen Ornat, den Mantel mit arabischer Schrift, bezeichnet. Sicilien dankt seiner Regierung fast seine besten und glorreichsten Tage; aber hier ist er vergessen. Wir brachten ihm Grüße aus der Heimath, die von ihm zuerst (später vom ersten Friedrich) den Glauben hegte, daß er im Bergesgrunde sitzend seiner Zeit harre, um wiederzukommen und dem zersplitterten Reiche zu seiner alten Größe zu ver­helfen. Wir konnten ihm sagen, daß eine andere starke Hand sich erhoben hat, diesen Glauben zu rechtfertigen.

In der Kirche Olivella sollte eine raphaelische Madonna sein. Aber Professor Springer aus Bonn, den ich in Palermo kennen lernte, hat den guten Leuten, welche ihr Heiligthum bisher nur an hohen Festtagen oder gegen Geld zeigten, ihren Stolz verkümmert, indem er ihnen das Bild, dessen Christkind schon ziemlich wulstig gerathen ist, als einen Lorenzo di Credi de- monstrirte. Eine ähnliche Revolution, diesmal zu Gunsten der Palermitaner, hat er im Museum hervorgebracht. Dahin hatte vor acht Wochen ein Principe, dessen Name mir entfallen ist, ein Bild geschenkt, das in un­unterbrochenem Besitze seiner Familie gewesen, ihm aber als ein Alberto Durero von nicht gar großer Bedeutung war. Jetzt erklärte Springer das wundervoll erhaltene Bild für einen Johann van Eyck, die Deutschen be­lagerten es und man fing an zu wallfahrten. Nun hätte der Principe das über seine Vorstellung werthvolle Bild wahrscheinlich gern zurückgehabt. Es ist ein kleines Triptychon, in der Mitte die Madonna mit dem Kinde und musicirenden Engeln, links die heilige Katharina, rechts wahrscheinlich Elisa­beth, alle drei vor den zartesten, poetisch gestimmten Landschaften und unter spät-gothischen Baldachinen sitzend, die von unglaublicher Sorgfalt der Arbeit sind; das Ganze ist überhaupt so fein ausgeführt und so harmonisch durch­gebildet, daß es zu den schönsten Werken des Meisters gezählt werden darf.

Grcnzboten II. 1869. 5