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Eine verunglückte Adresse.
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es gelungen sich über eine Fassung zu einigen, welche, untergeordnete Punkte abgerechnet, alle Parteien befriedigte.

Dennoch nahm die Debatte über diesen ersten Theil der Adresse eine und noch die Hälfte der folgenden Sitzung in Anspruch. So gründlich wurden die inneren Gebrechen unseres Staatslebens beleuchtet und so zahlreich waren die Wünsche, welche die Abgeordneten im Namen ihrer Wähler vorbrachten, daß der Abg. Pfeiffer sich berechtigt glaubte, gelegentlich an das Wort des Grasen Bismarck zu erinnern: wir sind den Süddeutschen zu liberal, was ihm freilich eine sehr entrüstete Zurechtweisung von Becher und Mohl ein­brachte. Der Zufall wollte, daß in derselben Sitzung der Letztere eine sehr eigenthümliche Probe von Liberalismus zum Besten gab, indem er nämlich nachdrücklich gegen denUnsinn" der Selbstverwaltung der Gemeinden zu Felde zog. Im Ganzen aber bewegten sich die Redner der deutschen Partei und der Linken in gleicher Richtung. Vor allem wurde dem Minister des Innern lebhaft zugesetzt, daß er es versäumt, einen Entwurf zur Verfassungs­revision vorzulegen, und dies, wie man aus der Thronrede schließen mußte, wohl vom Wohlverhalten der Kammer abhängig machen wollte. Es kamen dabei alle jene Ausstellungen über unsere Verfassung und insbesondere die Zusammensetzung beider Kammern zur Sprache, mit welchen schon mehrfach das Wesen der süddeutschen Freiheit beleuchtet worden ist. Der Minister entschuldigte sich so gut er konnte: die Thronrede sei mißverstanden worden, es solle jedenfalls noch dieser Kammer eine Vorlage gemacht werden. Auf das Materielle einer Verfassungsrevision aber ging er nicht ein. Er hätte sonst bekennen müssen, daß die Hauptschwierigkeit, was die Zusammensetzung der zweiten Kammer betrifft, darin besteht, irgend ein Gegengewicht für die Wirkungen des allgemeinen Stimmrechts ausfindig zu machen, und zwar ein anderes als die gegenwärtige Vertretung von privilegirten Ständen. Die Nothwendigkeit eines solchen Gegengewichts hatte der Minister schon in seinem früheren Entwurf anerkannt und diese seine Ueberzeugung konnte durch die erste Probe des allgemeinen Stimmrechts schwerlich erschüttert werden.

Ueber die deutsche Frage wurde eine allgemeine Debatte eröffnet. Sie gestaltete sich des Näheren zu einer Debatte über den Südbund, den die eine Seite des Hauses empfahl, die andere bekämpfte. Man muß nun gestehen daß die letztere Aufgabe die dankbarere war. Allein dennoch konnte man sich nur wundern über die dürftige Art, wie der unglückliche Südbund auch bei dieser Gelegenheit von seinen Vertheidigern eingeführt wurde, und über den Leichtsinn, mit welchem man in eine Staatsschrift ein Project aufnehmen wollte, über welches sich Niemand eine klare Vorstellung gebildet hatte, über welches die Freunde selbst in ihren Meinungen weit auseinandergingen. Man