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eine compaete Masse bildeten. Inmitten der Aufregung, welche sich zur Zeit des deutschen Krieges der nationalen Massen bemächtigt hatte, am 20. Juni 1866 war zu Neusatz (Ungarn) eine große, aus dem Fürstenthum, den östreichischen und türkischen Ländern beschickte vereinigte „literarische Gesellschaft" (die sog. Omladina Serbska) gebildet worden. Dieser Verein, der trotz seines literarischen Aushängeschildes wesentlich politische Zwecke verfolgt und zu dem „seder Serbe mit junger Seele und wahrem Eifer für den nationalen Fortschritt" zutreten kann, — hat sich im wesentlichen mit dem Programm des in Oesterreich erscheinenden Journals Sastawa einverstanden erklärt, bezüglich der inneren Fragen eine Nückkehrzu den Beschlüssen der liberalen Skupt- schina von 1858, in Sachen der äußeren Politik ein großserbisches, vollkommen unabhängiges, Reich gefordert. Daß damit weitergehende Pläne keineswegs ausgeschlossen sind, geht schon aus dem Umstände hervor, daß die vorgeschrittenen serbischen Oppositionsmänner, zugleich Mitarbeiter und Freunde des von dem Führer der östreichischen Serben inspirirten „Serbischen Tageblatts" (vuevuilc) sind. In diesem wird ohne Weiteres Erhebung gegen die Türken ohne auswärtige Beihülse und Herstellung einer südslawischen Föderation, an welcher auch Griechenland, Rumänien und Ungarn Theil haben sollen, gepredigt.
Gegen die Omladina hat sich die belgrader Negierung ebenso entschieden erklärt, wie das wiener Cabinet. Die gemäßigten Glieder derselben haben inzwischen die freundliche Stellung, welche Fürst Michael in der Stille zu der Neusatzer Versammlung anzunehmen sich die Miene gab, dazu ausgebeutet, vor Ueberstürzungen zu warnen und eine zwischen den Radikalen und den Ministeriellen vermittelnde Partei zu begründen. Ihr Organ ist die in Neusatz erscheinende, früher radicale Zeitung Sastawa, ihr Einfluß soll zufolge der abwartenden Haltung des Fürsten und der zunehmenden Bedeutung Garaschanins aber wesentlich verloren haben und gegenwärtig auf einen kleinen Kreis von Anhängern beschränkt sein.
So stehen sich auf serbischem Boden zwei große Parteien gegenüber. Die eine sucht in der Aufrechterhaltung der maßvollen Traditionen von Milosch das Heil — die andere aus groß-serbischen und panslavistischen Elementen zusammengesetzt, wünscht um jeden Preis Serbien zum Mittelpunkt und Führer jener Agitation zu machen, welche in Montenegro, der Herzegowina und Bosnien ebenso ihr Wesen treibt, als. im Fürstenthum und den benachbarten östreichischen Grenzländern. Zwischen beiden steht der Fürst von Serbien, bald durch die Befürchtung, im Fall eines orientalischen Krieges beiseite geschoben zu werden, in das nationale Lager gedrängt, bald durch die antidynastischen Pläne und Sympathieen der mit den Groß-Serben verbündeten Panslavisten geängstigt und zum Anschluß an die vorsichtige Politik Garaschanins bewogen.
Der Orientirung wegen nennen wir noch einmal die Namen der publi- cistischen Organe, welche diese verschiedenen Richtungen vertreten. Auf der äußersten Linken steht der in Oestreich erscheinende „Serbski Dnewnik", neben diesem die „Serbia" und die „Swovoda". Die in Neusatz erscheinende „Sastawa", früher Organ der Nationalpartei, vertritt jetzt die gemäßigten Anschauungen der Mittelpartei. Der „Widowdan" ist Garaschanins Spe- cialblatt; die „Nowine" bilden die amtliche serbische Zeitung. Außerdem ist der serbische (nicht der croatische) „Nupredak" für die Interessen der belgrader Negi erung i n Oestreich thä tig.
Verantworlliche Redacteure: Gustav Frcytag u. Julius Eckardt. . Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthrl Leglcr in Leipzig.