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Oppenheim, H. B. : Partei oder Coterie?
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sprach wohl gegen den Guerard'schen Antrag auf Verfassungsänderung, nicht aber gegen den Lasker'schen, welcher Bestätigung, nicht Aenderung verlangte. Weil die von Lasker vorgeschlagene Deklaration, wenn abgeworfen, das alte Recht angeblich noch tiefer erschüttern würde, darum thaten sie ihr Möglichstes, die Deklaration zu Falle zu bringen!! Es war ihnen er­laubt, die Einbringung des Antrages, wenn er ihnen schädlich schien, mit allen Kräften zu verhindern, sobald aber der Antrag einmal dem Hause an­gehörte, mußten sie jedenfalls dafür stimmen, zumal sie kein anderes Schutz­mittel für das bedrohte Recht der Redefreiheit in petto hatten. außer Herr Virchow, der eine Adresse an die Krone (!) für angemessener hielt, das aber nur beiläufig erwähnte, ohne einen bestimmten Antrag zu stellen.

Doch genug der Exemplificationen! Unsere alten Parteigenossen müssen bei all' ihrer mimosenhaften Empfindlichkeit, mit welcher sie jede sachliche Erwiderung ihrer persönlichen Angriffe voll sittlicher Entrüstung zurückzu­weisen Pflegen, doch zugeben, daß ich blos einen Theil der hierher gehörigen Thatsachen angeführt, daß ich die Beispiele weder falsch ausgebeutet, noch parteilich verwerthet habe. Meine Kritik ist selbstredend keine persönliche je höher ich einzelne Persönlichkeiten der Fortschrittspartei achte und selbst verehre, um so gebotener erschien mir die Aufgabe, die prinzipiellen Fehler in der Zusammensetzung und letzten Entwickelungsphase dieser Partei nach­zuweisen. Ich wollte darthun, daß sie weder eine radicale Partei ist, welche über ihrer Zeit steht und sich von den Heischnissen und Bedürfnissen der augen­blicklichen Lage für befreit erklären darf, noch eine praktisch liberale Partei, welche den Forderungen und Nothwendigkeiten der Gegenwart in verständig vermittelnder Weise gerecht wird, daß sie zwar die Elemente des einen wie des andern Standpunktes in sich trägt, aber nicht mehr die Kraft befitzt, diese Gegensätze in sich zu überwinden und sich zu einer einheitlichen Partei zu gestalten. Eine straffe Einheit der Ueberzeugungen ist allerdings heut­zutage fast bei keiner zu ermöglichen; Wind und Wetter sind bei der raschen Entwickelung maßgebender Thatsachen der Parteibildung auf theoretischen Grundlagen nicht günstig und der Einzelne ist nicht immer ohne weiteres nach seiner Parteistellung abzuschätzen. Selbst die conservative Partei konnte der starken Strömung der Begebenheiten nicht widerstehen; weil nun die so­genannten Freiconservativen den parlamentarischen Einfluß vielfach mit den Nationalliberalen theilen, darum geschieht es manchmal, daß Wagner von den Altconservativen dieConsequenz" der äußersten Linken preist, und so, wie auch bei einigen Abstimmungen, die beiden Extreme sich die Hand zu reichen scheinen. Abgesehen davon, daß Consequenz an sich, abstracte Consequenz noch keine Tugend ist, so wird das Lob der Consequenz, das in diesem gegebenen Falle schon durch die Person des Lobenden besonders verdächtig