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Vermischte Literatur.
Briefwechsel Alexander v, Humboldts mit Heinrich Bcrghans aus den Jahren 1825 bis 1858, 3 Bände. Leipzig. H. Costcnoble. 1863.
An den Namen A. v. Humboldts knüpft sich unauflöslich der Gedanke einer großartigen Wiedergeburt der Naturwissenschaften. Wie auch künftige Zeiten über den absoluten Werth seiner Arbeiten urtheilen werden, ein Ruhm ist ihm gesichert, die Schöpfung neuer Disciplinen wie der Pflanzcngcvgraphie und die Urheberschaft einer das Ganze ins Auge fassenden Naturanschauuug, dercu Grundzügc iu seinem Kosmos niedergelegt sind. Nicht nur Deutschland, auch gcmz Europa hatte sich allmälig daran gewöhnt, A. v. Humboldt als den berufensten Vertreter der Wissenschaft anzusehen und einige persönliche Eigenheiten des Gelehrten trugen nicht dazu bei, bei seinen Lebzeiten eine Rolle von ihm zu nehmen, die für ihn selbst mit äußeren Unbequemlichkeiten, vielleicht auch mit tiefcrliegcndcn Gefahren begleitet war. Wir Pflegen bei der Betrachtung und Würdigung unsrer großen Männer nicht nur den Verstand, sondern auch das Herz sprechen zu lassen, und dieser Zug von Pietät ist es, der, so ehrend er für uns auch sei» mag, doch zuweilen einem unbefangenen und abschließenden Urtheile über solche Mänucr hinderlich in den Weg getreten ist. Es wird nicht gcläugnct werden, daß die unbegrenzte Werthschätzung Humboldts durch die Bekanntmachung seines Briefwechsels mit Varnhagcn einen argen Stoß erlitten hat. Mit einem etwas unbehaglichen Erstaunen bemerkte nun auch das große Publicum in dem bewunderten Gelehrten gewisse Menschlichkeiten, welche nn das Kleinliche streiften und gerade auf seinem Charakter manchen kleinen Flecken erscheinen ließen. Scitdcm haben sich die Gemüther beruhigt, das Urtheil hat festeren Boden, größere Freiheit und Gerechtigkeit gewonnen uud in diesem Zeitpunkte erscheint das vorliegende Buch völlig angemessen und förderlich. Denn es läßt deutlicher als irgendetwas vorher über Humboldt geschriebenes eine seiner vorzüglichsten Seiten hervortreten: das hohe und fördernde Interesse, welches er sein Leben lang den Leistungen und Fortschritten der Wissenschaft und ihrer Vertreter zugewendet hat. Mit vollkommenem Rechte kann der Herausgeber sageu: .... „So gewährt diese Sammlung von Briefen nebst Zubehör gleichsam eiue Geschichte der positiven Erdkunde während eines Zeitraums von dreißig Jahren und darüber."
Man stoße sich nicht an die kleinen pedantischen Züge, die der verdienstvolle Herausgeber H. Berghaus in seinen eigenen Zusätzen nnd Noten, oft freilich sehr zur Unzeit, anzubringen weiß. Man wird sie um so lieber mit in den Kauf nehmen, als durch sie manche liberale und erfreuliche Seite in Humboldt ins Licht gestellt wird, der z. B. mehrmals höchst energisch gegen die echtdeutschc Gewissenhaftigkeit protcstirt, mit welcher ihm Hr. Berghaus den Titel Baron, Excellenz u. f. w. zucrthcilt. Nur sei hier gleich bemerkt, daß diese Schattenseiten des Herausgebers in dem vorliegenden Buche durch den gcsammten Inhalt erträglich gemacht werden, und daß sie beschciden genug in flüchtigen Randbemerkungen auftreten. Ein anderes aber wäre es, wenn Hr. Bcrghaus den von ihm mehrfach angedeuteten Plan ausführte, seiuc Memoiren Ä'onti-s tomdö zu schreiben. Nach der Lectürc des vorliegenden Briefwechsels erscheint hier der Wunsch geboten, daß er in seinem Stoffe eine strenge Sichtung vornehmen und sich wenn möglich rein auf dem ihm geläufigen wissenschaftlichen Boden