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Allerdings war die Stärke der östreichischen Regimenter ungewöhnlich groß, dvch lag der Nachtheil weniger in der Größe der Regimenter, als in der Un- behilflichkeit der Bataillone. Durch eine Vermehrung der Letzteren hätte allen Ucbelständen vorgebeugt werden können. Aber man ließ die Bataillone in ihrer bisherigen Stärke und schwächte die Regimenter, indem man aus dreien deren vier fvrmirte.
Ein eigentlicher Armeegeist, wie bei den Heeren anderer Staaten, wird sich schon wegen der Verschiedenheit der Nationalitäten bei dem östreichischen Fußvolk niemals entwickeln, wohl aber ein ganz vorzüglicher Regimentsgeist. Mehre kleine Provinzen, so z. B. Kärnthen, Krain, Schlesien, die Bukowina, Kroatien und das Küstenland stellten gerade so viele Soldaten, um ein Regiment nach dem alten Etat formiren zu können. Es war eine-gute Sache und übte auf die Stimmung der Mannschaft einen wohlthätigen Einfluß, daß die Angehörigen eines Landes sich, wenn auch nicht auf dem Kampfplatze, fv dvch in demselben Körper vereint wußten, dieselbe Kleidung trugen und unter demselben Befehlshaber standen.
Nun aber wurden die Regimenter zerrissen und aus den einzelnen Bataillonen, ohne Rücksicht auf deren Nationalität, neue Regimenter formirt, so daß z. B. das erste Bataillon aus Oberöstreichern, das zweite aus Italienern und das dritte aus Ruthenen bestand. Diese hclerogene Zusammensetzung mußte jetzt um so nachtheiiiger sein, als der früher eigentlich nur im Frieden bestehende und mehr auf die Administration Bezug nehmende Regimentsverband jetzt auch im Kriege aufrecht erhalten werden und das Regiment — wie schon in älterer Zeit, etwa im siebenjährigen Kriege — einen für sich bestehenden taktischen Körper bilden sollte.
Es dauerte über ein Jahr, bis man das Unzweckmäßige dieser Organisation erkannte. Man verkleinerte nun die Bataillone und vermehrte deren Zahl, indem man aus den bestehenden drei Bataillonen eines jeden Regiments ein viertes errichtete.
Hierauf wurde ein neues Reglement eingeführt. Dasselbe unterscheidet sich allerdings durch seine Einfachheit und Deutlichkeit von seinen Vorgängern in sehr erfreulicher Weise, doch haben Pedanterie und Paradewesen es auch hier schon verstanden, ihrer Thätigkeit ein ausgedehntes Gebiet zu verschaffen. Uebri- gcns hat man von der Sache größeres Aufheben gemacht, als sie in Wahrheit verdiente, und sonderbar genug haben gerade ausländische Stimmen die Vortrefslichkeit des neuen östreichischen Reglements zuerst ausposaunt und östreichische Journale die Sache in ihrem wahren Lichte dargestellt. So brachten der „Spectateur militaire" und nach ihm das frankfurter „Militärwochenblatt" Mittheilungen über diesen Gegenstand und äußerten sich, daß das neue östreichische Reglement von allen andern bisher erschienenen wesentlich abweiche, in-