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Der alte und der neue Bund.
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Deutschen mit der besten östreichischen Gemüthlichkeit behandeln, ihnen Manches zu Gefal­len thun und Vieles nachsehen; noch mehr, er würde am liebsten einen deutschen Rock tra­gen, am liebsten die deutsche Sprache sprechen und seinen Hof vorzugsweise mit deut­schem Adel umgeben. Es ist sehr viel deutsches Blut und noch mehr deutsches Ge­müth in der erlauchten Familie. Aber die Deutschen würden Diener sein einer fremden Gewalt, und sie würden sich mit dem Vorzug zu beruhigen haben, daß sie die liebsten und werthvollsten Stützen eines sehr alten und schicksalsvollen Hauses sind. Wen dieses Ziel lockt, der gehört nicht zu uns, wer noch in dem östreichi­schen Reformplan eine Steigerung der deutsche» Einheit und Freiheit begrüßt, der ist sehr reich an Glaube. Liebe und Hoffnung.

Es war wohl nur ein vorübergehender geistreicher Einfall in den Regicrungs- kreisen Berlins, dem östreichischen Ncformplan einen liberalen preußischen entgegen­zustellen , der ausreichend wäre, den gerechten Forderungen der Nation Genüge zu thun. Allerdings ist die Stunde gekommen, wo es für Preußen unmöglich wird, die deutsche Frage so zu behandeln, wie bis jetzt geschehen ist. Aber ein Plan, und sei er noch so liberal, hilft nicht mehr. Er würde nur eine neue Niederlage bereiten; denn mit dem freisinnigsten Plane in der Hand würde die gegenwärtige Regierung Preußens in Deutschland Fiasko machen. Selbst die Resignation des Herrn von Bismarck und seiner Amtsgcnossen, welche ein abenteuerliches Gerücht in Aussicht stellte, würde nichts helfen. Denn die Majestät des Königs von Preußen ist nicht in derselben Lage, in welcher bis zu den Fürstcnconfcrenzen andere deutsche Souveräne waren. Einem Souverän, der nicht über die Formen der Ver­fassung hinausgeht, wird jede politische Lebensäußerung durch seine Minister ver­treten und gedeckt. Es steht ihm deshalb jeden Tag frei, aus Rückficht auf die Opportunist" sein Ministerium zu entlassen und ein anderes, vielleicht von den entgegengesetzten Ueberzeugungen zu berufen. Der würdige und erlauchte Herr aber, welcher Preußen regiert, hat selbst in so außerordentlicher Weise, so bestimmt, so entschieden u.nd strafend seine persönlichen Ueberzeugungen den Vertretern feines Volkes, zahlreichen Gemeinden und Deputationen von Privatpersonen gegenübergestellt, daß ein Wechsel des Systems in liberalem Sinne für ihn ohne Beeinträchtigung seiner persönliche» Würde kaum mehr thunlich ist. Und wenn er sich zu diesem schweren Schritt entschließen könnte, so würden diesem Schritt die Bedingungen feh­len, welche allein einen glücklichen Erfolg sichern könnten. Er könnte ihn nicht mit freudigem Entschluß thun, und das deutsche Volk würde ihm einen Wandel seiner Ueberzeugungen nicht zutrauen und nicht glauben. Es scheint deshalb einem An­hänger der preußischen Partei unmöglich, daß irgendwelche Neformpläne für Deutsch­land, welcr/e die jetzt regierende Majestät und das gegenwärtige Ministerium der Nation bieten, irgendwelchen Erfolg haben. Und es ist für ein unbefangenes Ur­theil überhaupt unbegreiflich, wie ein vorthcilhafter Systemwechsel in Preußen durch einen Wechsel der Minister hervorgebracht werden kann. Kein Zweifel, daß der Kö­nig selbst diesen schwierigen Umstand lebhaft empfindet.

Das deutsche Volk hat gegenüber den östreichischen Rcformplänen nicht die volle Widerstandskrast, weil die Hoffnungen, die es vor Kurznn auf Preußen setzte, bit­ter getäuscht worden sind. Wir adcr, die wir innig von den Schäden und ebenso innig von der Tüchtigkeit des preußische» Staates überzeugt sind, wiederholen den Freunden in Preußen die Mahnung: Nicht in den Sommertagcn von Frankfurt, sondern in den Winterlager, Preußens liegt die Entscheidung über die nächsten Jahre der deutschen Nation.

Verantwortlicher Redacteur: Dr. Mvrit., Busch. Verlag von F. L. Herbig. Druck von C. E. Elbcrt in Leipzig.