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Zum Gedächtnis Friedrich Lists.
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Zum Gedächtniß Friedrich Lists.

Aus Schwaben, Mitte August.

Es waren Gedanken und Empfindungen sehr gemischter Art, mit welchen' wir am 6. August die Enthüllung des Denkmals Friedrich Lists in seiner Va» terstadt Reutlingen feierten. War es Freude, einem Feste beizuwohnen, das ein äußeres Zeichen der Anerkennung für denjenigen bedeutete, derso vielfach umgeirrt, vieler Menschen Städte gesehen und Sitte erlernt hat und so viel herzkränkende Leiden erduldet," so trat doch eben in dieser Stunde zugleich alles das Bittere, was dieser Mann erfahren, die Hemmnisse, welche den küh­nen Flug seines Geistes brachen, wieder doppelt vor die Erinnerung. Durfte man sich all der reichen Früchte erfreuen, die aus seiner Aussaat hervorgetrie­ben waren, in einer Weise, die zum Theil seine verwegensten Ideen zur Wahr­heit machte, so reihte sich daran unmittelbar der Gedanke, wie ganz anders noch diese seltene Geisteskraft gewirkt haben müßte, wenn ein freies öffentliches Leben der Nation ihn getragen, die harmonische Ausbildung seiner Anlagen verstattet, seine Ideen geklärt, die schroffen Ecken abgeschliffen hätte. Und zu allem dem kam dann noch der untröstliche Blick in die nächste Gegenwart, in welche dieses eherne Denkmal hineingestellt wurde. Denn wenn sonst ein sol­cher Act der Pietät und Dankbarkeit vollzogen wird in dem freudigen Bewußt­sein, ewige und hinfort unverlierbare Güter für das Leben der Nation gewonnen zu haben, so war es ein eigenthümliches Zusammentreffen und fast die Fülle des Maßes von Unglück, das Friedrich List noch über das Grab hinaus verfolgen sollte, daß die Enthüllung seines Standbilds in Tagen geschah, wo das Werk seines ersten, begeisterten Schaffens in seinem Grunde erschüttert und aber­mals die Gefahr nahe getreten ist, die alten Schlagbäume, deren Beseitigung die erste Forderung des Consulenten für den deutschen Handelsverein gewesen war, zwischen den Sachsen, Thüringern, Schwaben wieder aufrichten zu sehen.

Welche Stellung würde er selbst in der heutigen Krisis eingenommen ha­ben, nach welcher Seite hin würden sich vornehmlich seine Zornesworte richten?

Grenjboten III. 18L3. 41