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Die Diaspora der Juden.
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in ganz Abyssinien herrscht. Männer wie Frauen der Falascha befolgen streng die zehn Gebote, frübc Heirathen, Vielweiberei und Ehescheidungen sind ihnen nicht gestattet. Männer dürfen nicht vor dem zwanzigsten, Mädchen nicht vor dem fünfzehnten Jahre hcirathcn. Das weibliche Geschlecht geht unverschleiert umher. Sehr andächtig und glaubensstreng, sind sie zugleich ungemein sauber und reinlich. Sie treiben Ackerbau und Viebzucht sowie einige Handwerte; man fin­det z. B. unter ihnen Weber. Schmiede und Töpfer. Merkwürdig erscheint die Thatsache, daß diese abyssinischen Juden nicht nur keine Neigung zum Handel zeigen, sondern denselben geradezu verachten Stern schreibt:Der Handel gilt ihnen für unverträglich mit dem mosaischen Glauben, und man trifft unter die­ser Viertelmillion Menschen nicht einen einzigen Kaufmann."

Barbarisch ist die Sitte, welche mit ihren überstrengen Begriffen von Rein­heit zusammenhängt. Neben jedem Dorfe befindet sich eineunreine Hütte". Dorthin schafft man die Kranken, deren Tod für unabwendbar gilt, Sie liegen dann einsam und verlassen; denn kein Verwandter darf ihnen nahen, nur solche, die selbst für unrein gelten, dürfen ihnen Gesellschaft und Beistand leisten.

Wir bemerken noch, daß Stern in Genda, dem Mittelpunkt des Falascha- landes. eine Missivnsstativn gegründet hat, und daß er sich natürlich denn alle Missionäre thun dies große Hoffnung auf künftige Erfolge seiner Be­kehrungspredigten macht.

Oestreichs Pläne für Lösung der deutschen Frage.

Die Reise des Herzogs vvn Coburg nach Wien und die Mittheilungen, welche über die Tendenz der Reift in die Ocffeotlichkeit gelangt sind, haben eine Menge von Muthmaßungen und Angriffen hervorgerufen.

Es ist wohl natürlich, daß die Presse der Reise eines liberalen Fürsten. Verein so erklärter Liebling des deutschen Volkes ist. Aufmerksamkeit zuwendet, aber wir halten doch die Zeit nicht gekommen, darüber ein abweisendes Urtheil zu fällen. Ueber die Haltung des Herzogs gegenüber den östreichischen Staatsmänner» ist der Oesfcntlichkeit nichts bekannt, nichts über die Ansichten, die er vertreten.

Endlich auch nichts Sicheres über die Pläne und Vorschlage, welche Oestreich an Preußen und die übrigen deutschen Negierungen, wie man vernimmt, richten will. Ob ein Directorium mit so und so viel Mitgliedern im Plane ist, oli ein Parlament aus Volkswahlen, ob Oestreich mit allen Provinzen seines gegenwärtigen Reichstags in die neue Föderativ» einzutreten gedenkt, ob die östreichischen Politiker für ihre Pläne vorzugsweise auf die Mitwirkung der deutschen Regierungen oder des deutschen Volkes rechnen, darüber hat die Presse gar nicht abzuurtheilen, denn sie weiß darüber noch nichts Sicheres. Und gerade den Blättern, welchen man eine Vorliebe für die östreichische Politik nicht schuld geben wird, würde es wenig an­stehen, über ein wahrscheinlich noch nicht fcstgeschlossenes. sicher noch nicht cndgiltig formulirtcs Programm abzusprechen.