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Säfte des Staatskörpers in eine heilsame Bewegung zu bringen und die Nation von jener pessimistischen Stimmung, der gefahrlichsten aller politischen Krankheiten zu befreien. Schon fühlt die Regierung sich stark genug, die erschlafften Fäden ihrer auswärtigen Beziehungen wieder fester zusammenzunehmen, und straffer anzuziehen, worin sie durch die in Oestreichs Natur begründete Vielseitigkeit der politischen Beziehungen, die dem lockeren Gefüge des Staates eine so unerhörte diplomatische Bedeutung gibt, trefflich unterstützt wird. Der eben noch so tief gedemüthigte Staat sieht sich von den ersten Mächten der Welt umworben; fast scheint es, als brauche er nur zuzugreifen um das Schiedsrichteramt zwischen dem Osten und Westen zu übernehmen. Und auch in der Stellung Oestreichs zu Deutschland tritt uns dieser wunderbare Glückswechsel entgegen. Wohin wir auch blicken, nehmen wir rührige Thätigkeit und unerwartete Erfolge wahr.
Der Aufschwung Oestreichs hat nicht verfehlt, einen bedeutenden Eindruck auf das europäische, besonders auf das deutsche Publicum zu machen. Während vor einigen Iahren der eifrige Zeitungsleser von einem Tage zum andern auf die Nachricht von dem Untergange Oestreichs wartete, und nur darüber in Zweifel war, ob derselbe in Folge eines Bankerotts oder einer magischen Wirkung des Nationalitätsprincips erfolgen werde, oder ob das Schicksal einen so monströs zusammengesetzten, jeder Berechtigung zur Existenz entbehrenden Staat durch eine ganz abnorme, bis dahin in der Geschichte noch nicht gekannte Todcsart von seinem Dasein zu erlösen beabsichtige-, gilt es gegenwartig schon für eine politische Paradvxie. wenn man einigen Zweifel hegt über den reellen Werth der Erfolge, die Oestreich in der letzten Zeit davongetragen hat. Gerade deshalb ,aber dürfte es zeitgemäß sein, zu prüfen, ob denn die Wirklichkeit überall dem Scheine entspricht, ob in der That Oestreich nur Hand anzulegen braucht, um der Hegemon Deutschlands, der Schiedsrichter Europas zu werden, ob seine inneren Verhältnisse ihm freie Bewegung gestatten. Vor Allem kommt es darauf an, zu untersuchen, ob zwischen Oestreich und seinen großen und kleinen Bundesgenossen ein so vollständiges Einvernehmen obwaltet, daß es rücksichtslos und ohne die Furcht, sich zu cvmpromiltircn, die Wege einschlagen kann, auf die man von verschiedenen Seiten es zu drängen sucht. Zunächst wollen wir Oestreichs Verhältniß zu den Würzburgern ins Auge fassen.
Die öffentliche Meinung ist gewohnt, die Interessen Oestreichs und der Würzburger Regierungen zu identisiciren und sich der Ansicht hinzugeben, daß beide dasselbe Ziel verfolgen. Nichts kann verkehrter sein, als diese Ansicht. Gemeinsam ist ihnen nur das negative Ziel, die Gründung eines Bundesstaates unter Preußens Führung zu hintertreiben. In ihren positiven Zielen herrscht keine Uebereinstimmung, ja man kann behaupten, daß unter den Mittelstaaten selbst die Harmonie nur eine sehr unvollkommene ist.