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so ist eine wohlberechtigte Empfindung, der Hoheit des Kronprinzen durch seine Stellung als Divisivnsgeneral ernste Unannehmlichkeiten. Er ist keinen Augenblick sicher, daß nicht der politische Eifer vorgesetzter Generale sich gegen ihn geltend mache und als militärische Insubordination auffasse, was in der That mit militärischem Gehorsam durchaus nichts zu thun hat. Selbst wenn solche Uebergriffe militärischen Selbstgefühls von höchster Stelle zurückgewiesen werden sollten, ist es nicht bedenklich für die erhabene Stellung des Thronfolgers, auch nur solcher Möglichkeit fortwährend ausgesetzt zu sein? Ferner aber ist von den Blattern des herrschenden Systems mehr als einmal mit Behagen gepriesen And gemahnt worden, daß das beste Mittel gegen die unwillkommene Bewegung im Volke militärische Gewalt sei. Käme nun der verhängnißvolle und beklagenswerthe Tag, an welchem diese Wünsche det exaltirten Feudalen in Erfüllung gehen und ein Zusammenstoß zwischen der bewaffneten Macht und aufgeregten Menge stattfände, in welche schwierige Stellung könnte dann der Thronfolger als Divisivnär der Garde kommen? Seine innern Ueberzeugungen, sein höchstes Interesse möchten dann leicht in einen scharfen Conflict gerathen mit den Geboten militärischen Gehorsams und mit den Verpflichtungen, welche in solchen Stunden hoher Spannung der General gegen den Kriegsherrn, der Sohn gegen den geliebten Vater hat.
„Das preußische Volk fühlt tief, daß ein entschiedener Protest des Kronprinzen gegen die Preßvcrordnung in trüber Zeit allerdings die Bedeutung hat, ein neues Band zwischen dem Volk und dem Geschlecht seiner Fürsten zu knüpfen. Aber wenn die Freude sich jetzt darüber nicht lebhaft äußert, so hat das noch einen besondern Grund. Zu herb waren die Lehren der letzten Jahrzehnte, zu oft ist dem Volk nach hingebendem Vertrauen bittere Verstimmung, inneres Zerwürfniß, Verminderung der Staatsmacht nach Außen zu Theil geworden. Damit in Zukunft die Wiederkehr solcher Zustände unmöglich werde, meint das Volk sich jetzt selbst helfen zu müssen. Um den preußischen Staat zu Kraft und Gesundheit zu erheben, reicht nicht guter Wille und warmes Herz seiner thronbesteigcnden Fürsten aus, nicht das hingebende gläubige Vertrauen und die Loyalität eines freien Volkes. Der feindliche Zauber, welcher das Haupt auch des wohlwollenden Fürsten so leicht umstrickt, sobald die Krone darauf herabsinkt, kann nur durch einen Gegenzauber gebrochen werden, dadurch, daß das Volk aus sich selbst eine Widerstandskraft und Thatkraft entwickelt, welche gescheut und geehrt werden muß. Nur solcher Nerv und Stahl im Volkscharakter gibt dem Staate die Garantie der Dauer und Macht und dem Fürsten die Garantie, daß Willkür. Selbstüberhebung, die alte Königskrankheit, von seinem geheiligten Haupt fern bleiben. Deshalb ist es sowohl zum Heil für den Staat als zum Segen für jeden künftigen Regenten Preußens, wenn das Volk jetzt den schweren Kampf, irr den es geschleudert wurde, mit eigener Kraft und ohne