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Die auswärtige Politik Frankreich während der Julimonarchie. 2.
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Comiteberichte wegen Bewilligung eines Credits von 10 Millionen zu Flotten- Rüstungen hatte das Ministerium feierlich für eine feste Politik verantwortlich gemacht und ihm prophezeit, daß, wenn es die Angelegenheit in einer Frank­reichs würdigen Weise zum Ziele führe, es das ruhmvollste Cabinet sein werde von allen, welche seit 1830-die Geschicke der Nation gelenkt haben. Und nun sah man sich in eine Stellung gedrängt, in der man nicht verbleib»» konnte, ohne entweder auf jeden Einfluß zu verzichten, oder sich in einen verzweifelten und hoffnungslosen Krieg mit Europa zu stürzen. An letzteren Ausweg dachte wohl ernsthaft kein Staatsmann; wohl aber wurde er zum'unerschöpflichen Text für die außerparlamentarische Debatte. Und je mehr die Leidenschaften sich er­hitzten, desto schwieriger wurde der Rückzug aus der Stellung, in die man sich verirrt hatte. Zuerst kam man auf das bequeme Auskunftsmittel, dem General Sebastian! die Schuld für daß Stocken der Verhandlungen mit England bei­zumessen, indem er bei seinen türkenfreundlichen Anteccdentien Pallnerstons Anschauungen zu nahe stände, um die entgegengesetzten Ansichten mit Erfolg zu vertreten! Daß man mit der Abberufung Sebastiani's den König persön­lich traf, trug nur dazu bei, die Maßregel in der Kammer und im Publicum populär zu machen. In der That war'auch die Abweichung der Politik Lud­wig Philipps von der seines Cabinets Palmerstvn nicht entgangen und von ihm gelegentlich ausgebeutet worden. Indem man aber das Uebel heilen wollte, verkannte man den wahren Sitz desselben. Auf Concessionen hatte man, seit man das durch Sebastiani vermittelte Anerbieten abgelehnt hatte, nicht mehr zu hoffen. Die Unterhandlungen tonnte man nnr in dem Falle mit Aussicht auf Erfolg fortsetze», wenn man zrir äußersten Nacbgibigleit, zum völligen Verzicht auf die eigenen Pläne entschlossen war. Statt'dessen beabsichtigte das Ministerium, seinen Standpunkt noch schroffer hervortreten zu lassen. Es beharrte auf eiuer Politik, die sich nur mit den Waffen durchführen ließ, und war doch entschlossen, es nicht zum Kriege kommen zu lassen. Aber man glaubte so fest an das Dogma von der Unmöglichkeit eines Zusammengehens Rußlands und Englands, daß man vor den klarsten Thatsachen das Auge ver­schloß, und als mein dies nicht mehr vermochte, seine Rechnung auf das'Unbe­rechenbare, auf möglicher Weise eintretende Zwischenfälle, stellte.

Für den Gesandtschaftsposten in London schien nun nach Sebastiani's Ab­berufung Guizot die geeignete Persönlichkeit zu sein. Er hatte in einer Rede in, der Kammer die Theorie von der Vereinbarkeit der Integrität der Türkei mit der Bildung eines syro-ägyptischen Reiches entwickelt er hatte bewiesen, daß es für England eine Nothwendigkeit sei, mit Frankreich Hand in Hand zu gehen; er hatte zu verstehen gegeben, daß Palmerftons Politik nicht Als der Ausdruck der öffentlichen Meinung in England anzusehen sei. Kurz er theilte, wie er selbst mit Offenkeit bekennt, alle Illusionen, die in Frankreich über die Lage der Dinge herrschten. Auch seine Beziehungen zu den Torys (denn auch die Möglichkeit eines Ministerwechsels in England wurde bei den Berech­nungen der französischen Politik in Anschlag gebracht) mochten ihn empfehlen. Dabei war er allen kriegerischen Tendenzen 'abgeneigt. Kurz er war der Mann der Situation. Außerdem sah ihn das Ministerium lieber in London, als in Paris, wo er, obgleich er die Regierung bis jetzt in loyaler Weise unterstützt hatte, doch in der Kammer hätte ünbegtiem werden können. So wurde, trotz des Sträubens Ludwig Philipps, Guizot an Sebastiani's Stelle als Gesandter nach London geschickt.

Hier bricht der vierte Theil der Memoiren Gnizvts ab. Daß seine Mis­sion in London erfolglos bleiben mußte, lag in der Natur der Dinge. Seine Aufgabe war eben unlösbar, weil es der französischen Regierung' cm jedem