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Die auswärtige Politik Frankreich während der Julimonarchie. 2.
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land geschmeidig und gegen die Wünsche Frankreichs und Mohamcts nachgibig machen würde. Nußland natürlich ist mit dieser Wendung in Constantinopel. welche die Regelung der Frage dem Schiedssprüche der Mächte zu entziehen drohte, sehr zufrieden; am 27. Juli erklärt Kisseleff in London, das russische Cabinct ziehe sich von den Verhandlungen zurück; man müsse die Negociatio- nen in Constantinopel ihren Gang gehen lassen; sonst gebe es keine unabhän­gige Türkei mehr. An demselben Tage aber, wo der russische Gesandte in Lon­don diese Sprache führte, hatte Butenieff, der russische Gesandte in Constcm- tinopel, bereits den entscheidenden Schritt in entgegengesetzter Richtung gethan. Am 27. Jul-i hatten die Bevollmächtigten der fünf Höfe in Constantinopel eine Note übergeben, in der sie der Pforte mittheilen, daß die Uebereinstimmung der Großmächte über die orientalische Frage gesichert sei, und sie auffordern, jede definitive Entscheidung ohne Mitwirkung der Biächte zu suspendircn. Von die­sem Augenblick an ist Palmerston über Nußlands ^ Mitwirkung nicht mehr im Zweifel und spricht sich auch dem französischen Gesandten gegenüber in dem Sinne aus. Gerade von diesem Tag an tritt aber auch der Gegensatz zwi­schen England und Frankreich in scmer ganzen Schärfe hervor. Natürlich! Frankreich wünschte Nußlands Jsolirung, um die ganze Action der Mächte von Syrien ab und gegen Rußland";» lenken; England wünschte die Theilnahme Rußlands, um mit'gcdccktem Rücken den französischen Ansprüchen entgegentreten zu können. Wie aber ist der Widerspruch zwischen der Sprache Rußlands in London und seinem Handeln in Constantinopel zu erklären? Der Schritt der fünf Bevollmächtigten war auf Metternichs Anweisung von dem östreichischen Jnternuntius Baron von Stürmer veranlaßt worden; und Metternich hatte sich auch für die Zustimmung des Kaisers Nikolaus verbürgt. Dennoch, trotz dieser Bürgschaft, läßt sich kaum annehmen, daß Butenieff ohne die bestimmte­sten Jnstructionen seinen Hos in einer Weise engagirt haben sollte, die in den Augen aller Cabinetc sofort als cndgiltig und bindend angesehen wurde. Zwar verleugnete Rußland die Note vom 27. Juli; der Kaiser'spricht sich sehr un­gehalten über Metternichs Bürgschaft aus; Nessclrode hebt in einer Note an Butenieff hervor, daß die Pforte in einer Sache, die ein so großes Interesse für sie habe, selbständig entscheiden müsse. Sollte aber diese Sprache wirklich ernst gemeint gewesen sein? Wir glauben nicht. Es scheint vielmehr, daß Rußland, als es in London durch Kisseleff seinen Rücktritt von den Verbandlungcn er­klären ließ, bereits entschlossen war, dessenungeachtet an denselben Theil zu nehmen; der Schritt in Constantinopel beweist dies. Aber es wollte Frank­reich von den Verhandlungen ausschließen. Das sicherste Mittel dazu war aber, das französische Cabinet möglichst lange in dem Glauben an eine Jsolirung Rußlands zu erhalten, und es auf die Art zu einem unbeweglichen Beharren in einer Stellung zu verleiten, in der es mit England in unheilbaren Conflict ge­rathen und für den Fall des Conflictes sich selbst der Möglichkeit entschlossenen Handelns berauben mußte. Erst nachdem der Gegensatz zwischen den Anschau­ungen Frankreichs und Englands sich bestimmt ausgesprochen hatte, wollte Ruß­land offen und unwiderruflich die längst beabsichtigte Wendung vollziehen. Daß das ganze Verfahren ein zwischen Palmerston und Nesselrode verabredetes Spiel gewesen sei, ist durchaus nicht anzunehmen; eine vollständige Einigung Ruß­lands und Englands wurde erst im weiteren Verlause der Verhandlungen er­reicht. Wohl aber ist man zu der Ansicht berechtigt, daß Palmerston sehr bald die Absichten des russischen Cabinetes durchschaut, und da sie ihm zu Gute ka­men, in ihrer Entwickelung nicht gestört, sich auch nicht berufen gefunden hat, Frankreich, gegen welches er bereits in der spanischen Angelegenheit Miß­trauen und Mißwollen zur Genüge dargelegt hatte, zu warnen, was ohne-