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Massua und das Bogosland.
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Tamariske, die Sycomore und der wilde Feigenbaum sind allgemein anzutreffen, auch die Dumpalme und verschiedene andere tropische Bäume kommen vor, eigent­licher Wald aber existirt in diesem wie in den benachbarten Ländern nicht. Das Klima ist nicht ungesund, und man kann es gemäßigt nennen, da die Hitze 26° N. selten übersteigt. Der Jahreszeiten sind drei: Kerem, die Regenzeit, von Juni bis September, Gaim, die kühle Zeit (die zugleich die schönste ist), October, November, December und Januar umfassend, endlich Hägai, die Zeit der trockenen Hitze, welche die Monate Februar bis Mai einschließt. Von wilden Thieren kommen hier außer den genannten eine Panthcrart, Wölfe, Hyänen und Schakale vor.

Die Bogos sind ein vor etwa dreihundert Jahren aus Habcsch ausgewan­derter semitischer, der Mehrzahl nach christlicher Stamm von Hirten, der einem benachbarten Nebenfürsten einen Tribut von Kühen zahlt, im Uebrigcn aber so gut wie unabhängig ist und von einer Art Familienaristokratie .nach alther­gebrachtem Gebrauch und Gesetz regiert wird. Früher zahlreich, wohlhabend und nicht ohne eure gewisse Cultur, sind sie durch die Kriege der letzten Jahrzehnte' sowie durch die verderbliche Sitte der Blutrache auf etwa 8400 Köpfe zusammen­geschmolzen, verarmt und verwildert. In drei Hauptstämme zerfallend, die sich wieder in acht Nebenzweige theilen, wohnen sie in vierzehn Dörfern, von denen Keren, Haschala, Abin Mentel und Ona, jedes mit 250, Terhen mit 180, Dagi und Gabei alabu mit je 150 Häusern die größten sind. Das Vermögen wird nach Heerden berechnet, deren das ganze Volk 220 besitzt, und von denen eine durchschnittlich 50 Kühe zählt.

Von großem Interesse ist das Recht der Bogos, von dem Munzinger uns eine sehr ins Einzelne gehende Darstellung geliefert hat*), welcher wir die folgenden Auszüge entnehmen. Die Staatsordnung, wenn man diesen Aus­druck auf Halbwilde anwenden darf, ist eine patriarchalische Adelsherrschaft. Das Recht, selbstverständlich ungeschrieben, hat zur Basis den Familicnzusammen- hang, und Gesetz und Sitte vermischen sich in demselben, wie dies unter ähn­lichen Verhältnissen überall der Fall ist. Recht und Moral'haben hier keinen Zusammenhang. Da die Idee Gottes als Rechtsprincip unbekannt ist, gelten nur solche Handlungen als Verbrechen, mit welchen den Interessen des Nach­bars zu nahe getreten wird. Bürgschaften des Rechts sind die Familienliebe, die allen Hirtenvölkern eigenthümliche Anhänglichkeit an das Herkömmliche und die Furcht vor der Einmischung von Fremden. Die Familie ist Staat, Sou­verän und Gesetzgeber, letzteres für den Fall, daß die Rechtsüberliefcrungen nicht ausreichen.

Die Verwandtschaft des einzelnen Bogos besteht aus drei Kreisen, deren

') Ueber die Sitten und das Recht der Bogos. Von Werner Munzinger. Winterthur, Verlag vou I. Wurster und Comp. 18S9,