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dieser Erscheinung liegen bereits in der Geschichte des altmonarchischcn Frankreichs begründet. Die Monarchie hatte alle selbständigen Mächte des Feudal- stnates sich unterworfen; sie hatte alle Privilegien des mittelalterlichen Frankreichs ihrem Willen dienstbar gemacht. Aber sie hatte die Privilegien selbst bestehen lassen. Sie hatte, eingedenk'des ..Theile und herrsche", in der Unzahl verschiedener, sich einander balancirender Rechte ein bequemes Mittel der Herrschaft gesehen, und es daher versäumt, dem modernen Staatsprincip moderne Grundlagen zu geben, den Absolutismus zum Träger des Rechtsstaates zu machen. Unten vegeiirte die Naturwüchsigkeit des Mittelalters in ihrer schlimmsten Gestalt, wahrend oben die Verwaltung zur schärfsten Centralisation sich zusammcnspitzte. Gegen diese socialen Mißstände richtete die Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts die ganze Schärfe ihrer Kritik. Und nicht ohne Grund! War die sociale Hierarchie (um den Lieblingsausdruck der französischen Publicistik zu gebrauchen) früher ein Damm und Schuh gegen die andrängende Gewalt des Königthums gewesen, so diente sie, nachdem der Absolutismus einmal fest gegründet war, nur dazu, den Druck, der von oben auf Alle ausgeübt wurde, in weiteren und engeren Kreisen zu vervielfältigen. Gegen das sociale Regime, nicht gegen die Monarchie, erhob sich daher der Sturm, der die Revolution einleitete. Aber mit den Privilegien warf die Revolution zugleich das Königthum um, weil dieses in der entscheidenden Stunde versucht hatte, sich in schwerer Verblendung auf die schon im Falle begriffenen, ihm seit Jahrhunderten principiell feindlichen Mächte zu stützen. Mit den ersten Schlägen der Revolution war die Gleichheit errungen und hatte in den Menschenrechtcn ihren allumfassenden, darum aber auch der politischen Schöpfnngskraft entbehrenden Ausdruck gefunden. Dem Gewinne der absoluten Gleichheit war auf lange Zeit die politische Freiheit zum Opfer gebracht. Auf die sociale Hierarchie des alten Regime folgte, nachdem die Stürme der Revolution sich ausgetobt hatten, die administrative Hierarchie des Kaisertums, die dem modernen Frankreich den officicllen Stempel aufgedrückt hat. Der Auflösung der Gesellschaft gegenüber war die straffe Organisation der Verwaltung, die unbeschränkteste Dispositionsfähigkeit der Staatsgewalt über alle Organe eine unabweisliche Nothwendigkeit geworden. Darin stimmen alle Parteien, Conservative und Liberale wie Radicale, Monarchisten wie Republikaner übcrein. Und gerade die Radicalen gehen in ihren Ideen von der Allmacht der Staatsgewalt am weitesten. Der Republikaner weiß dem con- stitutionellen Frankreich kaum einen größeren Vorwurf zu machen, als den der Anarchie der Meinungen. Jeder will für seine Meinung nicht Freiheit, sondern die absoluteste Herrschaft. Wir sehen, wie nahe gerade in Frankreich die katholische Doctrin mit der demokratischen in einer eigenthümlichen Verwandtschaft steht. Der Uebergang des Abbe de Lammenais aus dem nltra-