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Palermo.
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tung des ganzen Baues, von dem weiten freien Platze längs des Toledo aus gesehen; die seltne Bekrönuug des maurischen Zinnenkranzes; die herrlichen Portale und Fen­ster; die gekreuzten Spitzbogen; der südlich-heitere Styl der Ornamente; ja selbst die Vermischung der Bauarten, wie sie sich in der holbgothischcn Westfayade, der mau­risch-byzantinischen Südseite und der plumpen großen, von mehreren kleinen umgcb- ncn Kuppel zeigt: alles das zusammen gewährt einen Anblick, der durch Mannig­faltigkeit, Pracht und Originalität reichlich ersetzt, was ihm an Harmonie und innerer Einheit des Gedankens abgehen mag. Aber- welche Enttäuschung beim ersten Schritt in das Innere! Wären die Säulen, nicht und die Bögen, welche sich zwischen ihnen spannen, wir möchten uns in einem Bauwerk aus der künstlerischen Zeit der ersten Neifröckc glauben. Alles ist weiß überpinselt, und .nicht ohne Ersolg die größte Mühe aufgewandt, dem Ganzen ein trostloses kahles, nichtssagendes Ansehen zu geben. Wir waren im Begriff wieder umzukehren, da fielen uns in einer Kapelle links vom Ein­gange einige alte Sarkophage in die Augen. Wir traten näher. Durch ein Gitter von der Kirche abgeschlossen, stehen hier unter einem von Porphyrsäulen getra­genen Dache, aus demselben Stoffe gefertigt, die Särge Kaiser Heinrichs VI. und Friedrichs II., mit rohen Basreliefs verziert, welche Heilige oder Wappcnthicre darstellen. Hinter ihnen, in noch älterem Stile und von gleicher Form, aber mit mosaikvcrziertcn Marmorsäulen, deren zum Theil ausgefallne Steinchen durch Malerei ersetzt siud, erscheinen die Grabmäler Nogers II. und der Kaiserin Constanze, der letzten Normannenfürstin. Moderne Inschriften am Fuße der Särge und alte an der Hinterwand verkünden, wer hier ruht. Ein eigenthümliches Gefühl ergreift den deutschen Beschauer bei dem Anblick der Gräber seiner heimischen Beherrscher hier am weit entlegenen Gestade, der Beherrscher, welche die ferne Jnselstadt, mit stolzen Worten sich sür die Metropole ihres Reiches erklärend, als die ihrigen in An­spruch nimmt. Die Zeit, wo Sicilien und Deutschland so nahe mit einander ver­knüpft waren, tritt ihm plötzlich mit den Hcrvcngcstalten der Hohcnstaufen ver­körpert vor die Seele: das herrliche Bild Friedrichs II. (mkgni nomiuis iinxe- i-ator, wie ihn die Inschrift nennt) steigt vor ihm auf, diese hochtragische.Heldcn- sigur eines Mannes, dessen Schicksale romantischer waren als ein Roman und dessen Leben dramatischer als ein Drama, bei dem Alles: Charakter, Bildung, Stellung, Schicksal mehr einem Product der schaffenden Einbildungskraft des Dichters als der geschichtlichen Wirklichkeit gleicht, und der doch noch immer, und vielleicht gerade des­halb, auf einen des großen Stoffes würdigen Genius harrt, ihn zu besingen.

Von den Kaisergräbern stiegen wir in die Krypte unter dem Hochaltar hinab, ein altes Steingewölbc mit hochgespannten mächtigen Bögen, von kurzen, stämmigen Marmorsäulen getragen. Durch zwei runde Löcher und ein vergittertes Fenster fällt das Tageslicht von oben herein und wirft ein magisches Dämmerlicht auf die mar­mornen Sarkophagen, die zum Theil antike Basreliefs, zum Theil die Gestalten ge­harnischter Kreuzritter und betender Bischöfe zeigen. Zumal vom Fuße der Treppe aus ist der Blick auf die sich allmälig im Dunkel verlierenden Hallen von mächtiger Wirkung. Hierher sollten die Dccorationsmalcr kommen, wenn sie die Scene zu dem letzten Act von Nvmco und Julie malen wollen.

Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt. Veraniwortlicher Nedocteur- Dr. Moriß Busch Verlag von F. L, Heiln« Druck von C. l5 Ellier! in Leipzig