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Von der preußischen Grenze.
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Vorausgesetzt freilich, daß das Ministerium bliebe. Denn diese Wieder­aufnahme des Stcin'schen Gcndarmericdckrets hat freilich feine zwei Seiten : seine Wir­kungen ändern sich wesentlich, je nachdem ein reactionaires oder liberales Ministerium die Geschäfte leitet.

Es scheint also, daß die erstere Partei ihre Zeit gekommen glaubt; daß sie be­reit ist, auf Befehl Sr. k, Hoheit des Regenten die Geschäfte zu übernehmen und wenigstens einen Theil von der Erbschaft des gegenwärtige» Ministeriums, namen!- lich das Militairgcsetz, anzutreten.

In der That bleibt dem Ministerium kaum etwas anderes übrig, als bei dem Prinzen den Antrag zu stellen, mit dem es hätte anfangen sollen, nämlich die Stim­men der lebenslänglichen Mitglieder des Herrenhauses, die zum großen Theil nach dem Maß ihrer Feindschaft gegen den Liberalismus ernannt wurden, durch Er- ucnnung neuer lebenslänglicher Mitglieder zu paralysircn. Die Majorität des Her­renhauses scheint darauf zu rechnen, daß der Prinz auf diesen Antrag nicht eingehen und demnach das Ministerium entlassen werde. Vielleicht hat, indem wir dieses schreiben, die Entscheidung bereits stattgefunden.

Unter den particularistischcn Blättern Deutschlands herrseht über diese Aussicht große Frcudc uud sie scheinen der Ansicht zu sein, daß ein preußisches Ministerium aus' der Fendalpartci ihren Zwecken besser entsprechen werde, Sie vergessen ganz, daß im Allgemeinen die Richtung, welche Preußen in der auswärtigen Politik zu verfolgen hat, von der Partcifarbe, ganz unabhängig, vielmehr dem Staat dnreh seine eigene Natnr vorgeschrieben ist, Oder sie rechnen auch so, daß eine Feudal- regicrung in Prcußcu unpopulär und daher schwächend für den Staat nach Innen und Außen sein müsse, und lassen es in diesem Hintergedanken > an Andeutungen nicht schien, daß man von Bundcswegen dieser Partei manches zugestehen könne, was man der entgegengesetzten versagen müsse,

> Auf so etwas scheinen auch unsere Tones zu'spcculircn, denen sonst grade die­ser Theil der Erbschaft sehr bedenklich fein müßte. Den» die Lage ist so, daß vor­aussichtlich in kürzester Frist dem preußische» Volk ungeheuere Opfer zugemuthct werden müssen; und in diesem Augenblick eine Verwaltung an die Spitze zu stellen, die schon durch ihre, Antcccdcntic» dem größten Theil des Volkes verhaßt ist und deren olmützer Glaubensgenosse» im auswärtigen Geschäft auch grade keine Lor­beer« eingeerntet haben, scheint doch nicht ohne Gefahr.

Daß die Gefahr mit schnellen Schritten herankommt, lehren die neuesten Vor­gänge in Italien nnd der damit zusammenhängeudc Notenwechsel, Aus eine staats­rechtliche Analyse der Thvuvenel'schen Noten an die Großmächte und an die Schweiz oder der Anrede an die angeblichen Abgeordnete» des souveraincn Volks von Sa- voyen lassen wir uns »icht ei»; es wäre grade so, als ob wir ein Inserat von Mr. Barn um analysiren wollten. Bei den, außerordentlichen Scharfsinn, der sonst Thouvcnels Depeschen auszeichnet, ist anzunehmen, daß man sich gar nicht mehr die Mühe gibt, die wahren Absichten sophistisch zu verstecken. Die Frage der na­türlichen Grenze» ist offe» gestellt, und damit die Schweiz, Bayern, Preußen, Bel­gien und Niederland gleichzeitig bedroht. Die Frage ist nur, wer von diesen Mächten znnächst zu fürchten hat?

Die Schweiz hat, was die staatsrechtliche Würdigung der Lage betrifft, unser