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Reiseliteratur.
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uns einmal nicht daran erinnert hätte,, dciß er sich zur Poetenzunst rechnet. Wahr­heit und Dichtung dürfen sich in manchem andern Werke mischen, aber gewiß nicht in einer Rciscbcschrcibung. Von dieser wollen wir Wahrheit und keine Dichtung, und so wären wir unserm Reisenden dankbarer gewesen, wenn er uns seine Be­obachtungen uud Erfahrungen nicht mit gemachten Blumen ausgeschmückt, und statt gelegentlich in Versen zu erzählen, sich eines einfachen richtigen Deutsch befleißigt hätte. Es muß verstimmen, wenn der Leser fast auf jeder Seite neben dem Be­mühen, gewählt zu sprechen, geistreich zu empfinden, groß zu fühlen, Verstößen ge­gen Logik und Grammatik begegnet.

Aus dem Morgcnlande. Thicrnovellcn nach Bidpai. Von H. Jädc. Leipzig, Voigt und Günther. 1860. Die bekannten indischen Thierfabeln, von denen die eine (die vom Schakal Dimncch) uns vielleicht das Urbild unsres Freun­des Ncincke Fuchs zeigt, und welche in ihrer Gesammtheit eine Art Lehrbuch orien- ' talischer Staatskunst bilden. Der Bearbeiter hat die Form der gereimten Prosa, in welcher das Original sich bewegt, mit schlichter Rede vertauscht, wodurch das Wcrk- chen unserem Geschmack zwar näher gebracht wird, aber auf der andern Seite auch viel von dem ursprünglichen Kolorit verliert. Die Fabeln sind zum großen Theil von reizender Naivetät.

Reise d urch Südbrasilicn im Jahre 1858. Von vr. A. Avö-Lallcmant. 2 Theile. Leipzig, F. A. Brockhaus 1859. Der Verfasser, früher als praktischer Arzt lange Jahre in Brasilien thätig gewesen, dann nach Deutschland zurückgekehrt, ging mit der östreichischen Novara-Expedition auf die Weltumsegelung, sah indeß bald ein, daß er in diese Gesellschaft nicht paßte, und blieb deshalb in Brasilien zurück. Es ist nicht zu unserm Schaden gewesen. Wenn wir nach dem schließen dürfcu, was andere Mitglieder jener Expedition bisher auf dem Gebiete der Rcise- beschrcibung geleistet haben, so wird sein Buch nach dieser Seite hin wohl das beste Resultat des Unternehmens sein. v. Lallemant hat sein Buch thcilwcisc in un­bequemer Lage, im Walde, unter Bäumen, in elenden Hütten, nach schweren An­strengungen geschrieben, und so ist der Styl bisweilen etwas unbeholfen und selten besonders anmuthig. Dafür hat das Werk aber andere große Vorzüge. Der Verfasser war gänzlich mit der Sprache uud den Verhältnissen des Landes ver­traut, er konnte die Wahrheit sehen und hören und er wollte es. Das aber ist gerade in Bezug auf Brasilien von Werth. Wir habcu uns gewöhnt, das südamc- rikanische Kaiserreich mit mißtrauischen Blicken anzusehen. Eine Zeit lang vernahm man nichts als Lob, dann erfolgte ein Umschwung und Tadel und Klage in Bausch und Bogen. Es ist gut, daß jetzt, nachdem auf die bcstochncn Federn zwar nicht bestochene, aber verbitterte und so eben auch nicht unparteiische ihre Arbeit gethan haben, diese wieder durch eine unbefangene abgelöst zu sehen, die weder zu hell noch zu dunkel, sondern rechtschaffen und zugleich rücksichtsvoll einfach so zeichnet wie die Dinge sind. Von besonderem Interesse sind die Capitel über die Provin­zen Rio Grande do Sul und die deutschen Kolonien San Leopolds ^und San Angelo, die Niederlassung am Pinhal, die Bemerkungen über die Deutschen im Nor­den der Provinz Santa Katharina und das Schlußcapitcl über die Verhältnisse der-