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Zusammentritt, als gälte es nur, von einer schon abgemachten Sache M zu nehmen. Immerhin bleibt es ein Zeichen der Zeit, daß ein Mönch das Mittclalter als abgethan erklärt und an die Stelle des Privilegiums die Interessen der Mitwelt setzt, wiewohl wir die Vertretung verschiedener Interessen selbst für die Provinz vom Uebel halten. Das Wohl des Ganzen, nicht der Theile, nicht Eigennutz, sondern Gcmeinsinn, nicht das Interesse des einzelnen, sondern die Sorge sür alle sollen im ständischen Saale das große Wort führen- der Standpunkt des Privatvorthcils ist von vornherein ein verfehlter, nur die Reaction erntet die Früchte der künstlichen Trennung. Einige unserer Vertrauensmänner sür das Gcmcindegcsctz faßten die Sache praktischer - sie dachten sich das ganze Land in Bezirke getheilt, und wünschten jedem derselben einen Abgeordneten mit freier Wahl in oder außer dem Weichbild aus jedem beliebigen Stande. Anders Graf Brandis und sein Schweif. Einer der Vertrauensmänner der Vorbcrathung, der Oberlandcsgerichtsrath Freiherr von Klc- bclsberg, rechtfertigte den Entwurf des Grafen in der „Schützenzcitung" mit der „glorreichen Vergangenheit eines halben Jahrtausends," die wir nach ihm nur der ständischen Verfassung verdanken; er ging so weit zu behaupten, daß Niemand, dessen Kenntniß der Landcsvcrhältnissc auch nur sechzig Jahre zurückreiche, ihren erprobten Nutzen leugnen könne. Unser Klerus, wenn auch jedem eigentlichen Wissen gram, galt ihm als Vertreter „der höchsten geistigen Interessen," unser Adel, der mittlerweile Gerichtsbarkeit, Zinsen und Zehnten verlor, ein nothwendiger „Vermittler zwischen Intelligenz und materiellem Besitz, Stabilität und Fortschritt." Die richtige Mitte zwischen den letzteren soll uns die gleiche Stimmbcrechtigung aller vier Stände verbürgen. Selbstständigkeit, Standcsehrc, Bewußtsein jedes einzelnen sei geopfert, wenn er von der Stimmenmehrheit erdrückt der Schutzgenosse des andern werde. Man traut seinem Gedächtniß kaum, wenn man sich der Großthaten dieser Väter des Vaterlandes von 181K bis 1848, der Verbannung der Zillerthaler, der Berufung der Jesuiten, des Jubels über ihr Wirken, der Verwahrungen gegen Eisenbahnen, deutsche Touristen und deutsches Nationalgcfühl erinnert, nun aber mit einem Male von Intelligenz uud Fortschritt sprechen hört. Sofort wurde die „Schützcnzei- tung" der Wahlplatz für einige harmlose Gänge mit dem Nappier. Ihre geistreichen Freunde hielten an der Bundeslade mit den „tirolischen Gedanken," dem Prinzip der alten Stände mit ihrer einträchtigen Gliederung, ihrem loyalen Pctitionsrecht, ihrer fraglichen Beschlußfähigkeit über Landcsintcrcsscn, nur die Vermehrung der Vertreter des dritten und vierten Standes wagte sie zu betonen. Darüber wies sie Graf Brandis alles Ernstes zurecht. Hatte er nicht schon des Schmerzes genug erfahren von seinen Collegcn durch die wühlerischen Reformen seines Entwurfs? Das adelige Damenstift schlössen sie aus von der Herrenbank, die Wahlfühigkeit der Jm- mntrikulirten bedingten sie durch eine jährliche landcssürstlichc Steuer von 50 Fl., die Zahl der Stimmführer jedes Standes erhöhten sie von 8 auf 14, das frühere Verhältniß der Vertreter von Wälsch- zu jenen von Deutschtirol änderten sie von » zu 5 in 3 zu 4 um. Und noch immer sollte des leidigen Mäkelns kein Ende sein. Da ließ er seine Donnerstimme an alle Büchsenspanner Tirols erschallen und der Aar der „Schützenzeitung" nahm auch ihn wie seine erbitterten Gegner unter die schützenden Fittige. Wer nicht zu mir steht, rief er grollend, ist „kein Schütze," denn sein Schuß verfehlt das rechte Ziel, und „geräth nothwendig in das Centrum
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