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Beseler über die schleswig-holsteinische Frage.
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verzeichnet, daß Erbfolgestreitigkeiten zu Kriegen geführt, daß das Schwert über das Recht die endliche Entscheidung gegeben hat. Daß aber jemals ei» Concert unbefugter fremder Machte hingereicht Hütte, unter Beseitigung der Ansprüche derjenigen, die nach rechtlich bestehenden Sahungen zur Regierung berufen sind, eine neue Dynastie zn gründen, ist nickt bekannt. So wie es einerseits gewiß ist, daß den Unterzeichnern des Londoner Tractats jede Befng- niß fehlte, Schleswig-Holstein durch Aenderung der Thronfolge für immer an Dänemark zu ketten, so ist es andrerseits auch offenbar, daß jener Tractat eine völkerrechtliche Erklärung enthält, welche sich der Sphäre aller derartigen Abkommen nicht entziehen kann, mithin nur so lange eine Bedeutung hat, als die Contrahenten unter sich einig bleiben. Später entscheidet im äußer­sten Fall das Glück der Schlachten. Jede neue Constellation der europäischen Verhältnisse gefährdet daher die Existenz des genannten Tractats, und wenn der letzte Vertreter des jetzt regierenden Zweigs des oldenburgischen Stammes in die Gruft seiner Ahnen gestiegen sein wird, wird der erbberechtigte Agnat einer andern Linie jenes Hauses die Regirrung Schleswig-Holsteins antreten, ohne daß das Abkommen von London dies rechtlich hindert ob thatsächlich, hängt von den Umständen ab.

Wenn man daher das größte Gewicht darauf legt, daß der deutsche Bund nicht beigetreten, so beruht dies auf Irrthum. Denn der Bundestag wäre nach den Bundcsgesetzen ebensowenig als die Unterzeichner des Tractats be­fugt gewesen, die legitime Erbfolge in Schleswig-Holstein durch eiucn rechts­widrigen Act zu ändern.

Es ist ferner ein schwerer Irrthum, wenn mau glaubt, daß nach Besei­tigung des Londoner Tractats die Rechte und Interessen Schleswig-Holsteins und Deutschlands für die Zukunft genügend gewahrt sein würden; denn wenn­gleich nicht verkannt werden darf, daß die Vernichtung jenes Tractats mit Rücksicht auf die unberechenbaren Wechselfälle der Zukuuft in hohem Grade wünschenswert!) ist. um die Aushebung der Personal-Union in Aussicht nehmen zu können, so würde es doch ungerechtfertigt sein, dieses Ergebniß für den Fall der Beseitigung jener völkerrechtlichen Erklärung als gesichert vorauszu­setzen. Es wäre immerhin möglich, daß man in Dänemark die Thronfolge mit der in den Herzogthümern gültigen in Einklang setzte, oder daß ander­weitige Arrangements, auf rechtlich zulässigen Verzichten der Erbberechtigten fußend, zum Behuf der Aufrechthaltuug der Personal-Union getroffen würden.

Es ist endlich der schwerste Irrthum, wenn man bei der Erwägung, was für Schleswig und Holstein zu geschehen habe, in erster Linie die Beseitigung des Londoner Tractats und erst in zweiter die Beseitigung des dänischen Januar- Patents für nothwendig erklärt. Die Sache verhält sich gerade umgekehrt. Der jetzige Zustand in jenem Lande, dessen Real-Union mit Dänemark beruht