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Altdeutsche Maifeste in der Schweiz.
Alemannisches Kinderlied und Kinderspiel aus der Schweiz. Gesammelt und sittcn- und sprachgeschichtlich erklärt von Ernst Ludwig Rochholz. Leipzig, Verlagsbuchhandlung von I. I. Weber, 1837. —
Vor fünfzig Jahren hätte man mitleidig den Kopf geschüttelt, wenn ein Gelehrter seine Mühe auf eine Schrift wie die obige verwendet hätte. Heutzutage heißt man Bücher der Art willkommen, und zwar nicht blos als schatzbare Beiträge zur deutschen Sprach- und Sittenkunde, sondern selbst als brauchbares Material zur Arbeit des Geschichiforschers, der sich mit dem Wiederaufbau des Urlebens unsres Volkes beschäftigt. Es ist in den letzten Jahrzehnten auf diesem Gebiete ungemein viel Gutes geliefert worden. Der Verfasser hat sich die Aufgabe gestellt, auch das bisher weniger beachtete Familien- und Volksleben des alemannischen Stammes am Oberrhein, an Aare und Reuß auszubeuten, und er ist dieser Ausgabe mit ebensoviel Eifer und Ausdauer, als Sachkenntnis; und Geschick nachgekommen. Mancher wird mit dem einen und dem andern Vergleich und Schluß des Forschers nicht einverstanden sein, mancher mit uns nicht zugeben können, daß das Buch, wie das Vorwort meint, in dieser Gestalt auch für Ungelehrte, Hausfrauen und Kinder lesbar sei, mancher auch wünschen, die Anordnung des Materials wäre handlicher, die Verlheilung übersichtlicher. Jedem Leser dagegen wird die Liebe zu unsrem Volke wohlthun, die sich überall ausprägt und das Buch zu einem erbaulichen macht.
Daß viele der mitgetheilten Lieder, Sprüche und Räthsel uralt, älter als die ältesten geschichtlichen Denkmale in deutscher Sprache, älter als das Christenthum sind, leidet keinen Zweifel. Daß manche Pädagogen klüger thäten, wenn sie, statt die Kinderwelt mit den Erzeugnissen eigner süßlicher oder trocken-verständiger Erfindung zu langweilen oder zu verderben, in diese und ähnliche Fundgruben griffen, ist ebenso gewiß, und die Zeit wird kommen, wo man alle die läppischen Bilderbücher unsrer Christmärkte, alle die doctri- nell auSgesponnenen Kindervergnügen und alle die eingeschulmeisterten Verftan- desspicle, welche die Gegenwart liefert, dahin thun wird, wohin sie gehören- Auch nach dieser Seite hin naht unsrer Nation die Wiedergeburt. Indeß trägt dazu das vorliegende Sammelwerk in der Form, die es hat, nur indi- rect bei. Wichtiger ist es als Beitrag zur deutschen Sittengeschichte. ES liefert neue Formen des altheidnischen Opfer- und Festtanzes, es gibt zahlreiche noch unbekannte Beispiele von noch fortlebenden Bräuchen des urgermanischen Gerichtsversahrens, es bringt eine ganze Reihe dramatisch dargestellter Thiermärchen, in denen Götternamen, Zaubermittel und Segenssprüche