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gebeinen errichtet, auf welchem unzählige Wachslichter flammten. Schwarzverhüllte Männer in der Kleidung der alten Brüderschaften, ebenfalls mit Wappenschilden und gekreuzten Wachskerzen in den verschlungenen Armen umstanden ihn geheimnißvoll und regungslos während der Vigilien und Hochämter, welche vom frühen Morgen bis zum Mittag fortdauerten, während beständig an allen Altären Messe gelesen und der Stistungsbrief, welcher die Namen aller der verstorbenen Grafen und Fürsten mit denen ihrer Gemahlinnen und Kinder enthielt, abgelesen wurde. Nach beendigtem Gottesdienst war große Tafel im Schlosse, im Bildersaal, da das gewöhnliche Speisezimmer nicht geräumig genug gewesen wäre, die zahlreichen Gäste zu fassen. Geistliche und weltliche Abgesandte kamen aus allen Städtchen und Dörfern der Umgegend herbei; die Klöster sendeten ihre Beichtväter und Schaffner, da auch nach ihrer Säkularisation in den meisten derselben alles beim Alten belassen wurde, und die Nonnen nach wie vor ihre Clausur beibehalten durften, was einige strenger,1 andere lässiger beobachteten. In einem dieser Klöster machte der Leibarzt des Fürsten, ein gelehrter, aber etwas barocker, der rousseauischen Ausklärung zugethaner Mann, den Versuch,, eine weibliche Erziehungsanstalt zu gründen. Die armen Nonnen, meist reiche Bauerntöchter auö Altbaiern, sollten mit einem Male in die Naturwissenschaften eingeweiht werden, Französisch lernen und lehren, und noch manches Andere sich aneignen, wovon nie eine Kunde in ihre stillen Mauern gedrungen war. Die Resultate dieser Bestrebungen waren Null, nur daß die hübscheste der Nonnen ihre gesunde Vernunft darüber einbüßte und für ihre übrige Lebenszeit geisteskrank und schwermüthig blieb.
Trotz der Kriege, die im übrigen Deutschland wütheten, waren eS friedliche Tage damals in dem kleinen Reiche, wo alles von oben und unten so hübsch zusammenstimmte und alle Anliegen unmittelbar vor den Fürsten kamen und von diesem und seinem alten Kanzler erledigt wurden, während sie in der behaglichen Eckstube dieses letztern, aus welcher man auf daS Städtchen niedersehen konnte, auf- und abwandelten. Eine Stunde traulichen Gespräches reichte hin, alle Geschäfte des äußern und Innern Departements abzuthun, die Jagdergebnisse des verflossenen Tages zu berichten und allenfalls sich über die Wilddiebe auSzulasfen, die besonders vom BadischeN her freche Eingriffe in den Park machten. Dort übte der Förster eines der Außenposten strenge Justiz, und mancher, der nicht eilig genug den hohen Plankenzaun erkletterte, erhielt einen Denkzettel, der ihm das Wildern aus immer verleidete.
Die Gefängnisse, welche unter dem Neubau des Schlosses, an dem alten Burggang hin lagen, und ehedem wol als Wohnungen der Reisigen oder als Verließe gedient haben mochten, standen durch eine Falltreppe mit dem Cor-