Beitrag 
Zur italienischen Frage.
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die Negierten auch daran Schuld, wenn sich ihnen das Staatsleben ganz entzieht. Mögen sie den Gedanken einer künstigen Befreiung und Einigung Italiens festhalten, man wird vom allgemein menschlichen Standpunkt nichts dagegen einwenden; zunächst aber kommt es daraus an, sich um die unmittel­baren materiellen und geistigen Bedürfnisse zu kümmern, zu ihrer Durchführung einen Spielraum zu gewinnen. Die Preßfreiheit, die legislative Unabhän­gigkeit kann die überlegene Gewalt versagen, sie kann aber jene ruhige, kon­servative, sachgemäße Opposition nicht hindern, die auf die Befriedigung be­stimmter, durchführbarer Bedürfnisse ausgeht; und indem man so für die Gegenwart arbeitet, legt man die sichersten Fundamente für die Zukunft.

Es ist ein großer, unberechenbarer Gewinn für die Italiener, daß sich jetzt ein nationaler Staat gebildet hat, dessen Regierung mit den gesunden Classen des Volks in völligem Einklang, bei den Nachbarstaaten geachtet, von der Geistlichkeit unabhängig und von dem Gedanken des italienischen Fort­schritts lebhast durchdrungen ist. Das kleine Haus Savoyen hat seit alten Zeiten eine zugleich feine, verständige und consequente, zähe Politik entwickelt, die sich auch heute wieder geltend macht. Es ist ein sehr großer Fortschritt, daß die gebildete Classe unter den Liberalen Italiens ihre Hoffnungen nicht mehr aus die römische Republik, sondern auf das turiner Königthum richtet. Nur muß man sich auch jetzt noch hüten, die Kräfte Sardiniens zu überschätzen, nicht blos in materieller Beziehung, sondern auch in geistiger. Wenn es Karl Albert nicht gelang, die Mailänder Revolution zu beherrschen, so ist auch jetzt noch Sardinien nicht stark genug, die sehr verschiedenartigen italienischen Elemente zu absorbiren. Wenn Sardinien ebenso besonnen als fest auf der Bahn der Reform fortgeht, und die Nachbarstaaten theils durch unmittelbaren Einfluß, theils durch die zwingende Macht des Beispiels zu ähnlichen Re­formen veranlaßt, so wird nicht blos für den Augenblick viel Nützliches ge­stiftet, sondern es werden dadurch auch jene conservativen Elemente gewon­nen, die, wie vorher bemerkt, allein die Brücke aus dem alten Zustand in den neuen bilden können. Der Bund mit dem Radikalismus dagegen wäre, ganz abgesehen von den äußerlichen Combinationen, die wir hier über­haupt bei Seite lassen, für Sardinien verderblich, denn bis jetzt wäre bei einem ausbrechenden Conflict der Nadicalismus noch der stärkere Gegner. Unter den gebildeten Classen Italiens ist die Partei, welche für die Reform und gegen die Revolution ist, bedeutend genug; es kommt nur darauf an, daß sie von einer organisirten Negierung mit fester Hand geleitet wird. Die Schwierigkeiten sind gewiß sehr groß; es gehört zum Werk der Reform nicht blos Muth und Entschlossenheit, sondern zähe Ausdauer, Geduld und Über­legung; aber mit ihnen kommt man auch in der That Schritt für Schritt vor­wärts, während die Conspirationcn zu nichts führen. Noch eins hat uns bei