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Licht warfen. Man hatte jene Begebenheiten bis jetzt vorzugsweise von dem französischen Lager aus angeschen. Die Stimmen aus dem russischen Hauptquartier hatten sich nur sehr vereinzelt hören lassen, und durch mißverstandene Mittheilungen KnesebeckS so wie durch das natürliche Bemühen, in allen Begebenheiten nach einem vernünftigen Zusammenhang zu suchen, hatte sich die falsche Vorstellung verbreitet, dem russischen Fcld- zuge habe ein ticfbercchncter Plan zu Grunde gelegen. Diese nebelhaften Ideen mnßten sich nun allerdings durch die positiven Mittheilungen Tolls zerstreuen. Der Heros des Westens ist nicht durch einen überlegenen Verstand, sondern durch die natürliche Wucht der Ereignisse erdrückt worden. Der Krieg ist von den Russen zu Anfang mit einer Kopflosigkeit und noch bis ans Ende hin. noch in der Schlacht an der Beresina mit einer Zaghaftigkeit geführt worden, die uns recht lebhast zeigt, wie das Schicksal zuweilen der Sterblichen Pläne und Rathschläge spottet. Napoleon hat bei seinem Unternehmen drei starke Fehler begangen, er hat den Fcldzug, wenn er ihn bis Moskau hin ausdehnen wollte, zu spät im Jahre augefangen, er hat sich in Moskau zu lange ausgehalten, und er hat für die Verpflegung der Truppen weniger vorausgcsorgt, als es sonst seine Gewohnheit war. Alles Uebrige haben die Elemente gethan. Es ist uns in diesem Bilde sehr erfreulich gewesen, wie der Verfasser die beiden wesentlichen Gesichtspunkte mit gleicher Energie festhält. Er steht natürlich mit seinen Ueberzeugungen gegen den Eroberer nnd betrachtet das furchtbare Strafgericht, das ihn traf, mit den Augen eines deutschen Patrioten, dessen Vaterland dem russischen Winter theilweis seine Befreiung verdankt; aber als Erzähler tanu er sich jenes tiefen menschlichen Mitleids nicht erwehren, welches ein richtig gebildetes Gefühl stets für die besiegte französische Armee empfindet. Ja hin und wieder bricht er in laute Bewunderung für Napoleon aus, dessen Genius sich trotz jener großen Fehler in den Tagen äußerster Noth glänzender entwickelte, als in seiner frühern Siegcrlaufbahn.
Es ist zu bedauern, daß der Verfasser versäumt hat, an dieses brauchbare, in Bezug aus die sachliche Gründlichkeit wie auf deu Tou befriedigende Werk die letzte Hand zn legen. Man wird hin und wieder durch Wiederholungen ermüdet, und die Gruppirung der Thatsachen ist nicht immer geschickt genug. Mit leichter Mühe könnten diese kleinen Nachlässigkeiten weggeschafft werden, nnd wir rech, nen daraus, daß dies in einer zweiten Auflage geschehen wird, die vielleicht die beiden Werke miteinander vereinigt und am Schluß noch den Feldzng von 18 >ü hinzufügt. — Der Uebergang zu dem Leben Stein s führt uns natürlich zuerst aus die Briefe dieses großen Patrioten aus der Zeit des russischen Feldzugs. Sie zeigen uns, wie falsch man in St. Petersburg noch bis zu einem ziemlich späten Zeitraum hin die Lage der Armee auffaßte, und wie die großartigen Prahlereien Kutusoffs den Hos getäuscht hatten.
Was das ganze Werk betrifft, so können wir uns jetzt mit der Fassung desselben einverstanden erklären. Es enthält zwar auch jetzt noch gegen 1700 sehr starke Seiten, aber die Uebersicht ist doch bequem genug, und wenn cS auch in dieser Form als Lesebuch betrachtet nur aus deu Kreis der eigentlich historisch Gc> bildeten rechnen kann, so eignet es sich desto besser zum Nachschlagen, und wir müssen dem Herausgeber Dank wissen, daß er uns von dem, was uns am meisten interessirt, von den Originalpapieren Steins. so wenig als irgend mög-