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Neue Schriften über deutsche Poesie.
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Neue Schriften über deutsche Poesie.

Goethe und seine Werke. Von Carl Rosenkranz. Zweite verbesserte und ver­mehrte Auflage. Königsberg, Gebrüder Boruträger.

Der Verfasser bemerkt in der Vorrede, daß ihn zu der neuen Auflage zum Theil eine Recension bestimmt habe, die von mir 1848 in den Epigonen erschien*). Ich würde heute sowol im Lob wie im Tadel etwas weniger lebhaft sein, allein im Wesentlichen würde mein Urtheil auf dasselbe herauskommen, und Rosenkranz hat vollkommen Recht, wenn er in demselben neben vielen scharfen Angriffen auch eine lebhaste und warme Anerkennung herausfindet. Seit den acht Jahren, die dazwischen liegen, ist über Goethe sehr viel geschrieben, zum Theil sehr Beachtenswerthes, und man kann wol behaupten, daß sich jetzt das Urlheil über den großen Dichter im Ganzen wie im Einzelnen firirt hat. Ein Grund zu scharfer Polemik ist nicht mehr vorhanden, und so darf ich wol, abgesehen von dem eigentlichen Inhalt, mich darauf beschranken, das subjective Verdienst und die Mängel des Buchs hervorzuheben, was beides mit der literarischen Persönlichkeit des Versassers enge zusammenhängt.

Das Buch ist aus Vorlesungen hervorgegangen, die für königsberger Studenten bestimmt waren. Ich weiß nicht, ob sich in neuester Zeit in dieser Beziehung viel geändert hat, aber in der Zeit der Vorlesungen stand der königöberger Student in dem, was man im Guten wie im Schlimmen all­gemeine Bildung nennt, hinter seinen Kollegen auf den westdeutschen Univer­sitäten sehr zurück. In Beziehung auf die eigentlichen Schulkenntnisse konnte er wol mit jedem wetteifern, aber über Literatur und Kunst sich vernehmen zu lassen, das war ihm nicht gegeben, und er hatte im Ganzen auch nur wenig von den neuern Dichtern gelesen. Hier erwarb sich nun Rosenkranz als Lehrer ein sehr großes Verdienst, indem er fast in all seinen Vorlesungen aus die bedeutender» Erscheinungen der neuern Literatur aufmerksam machte und zur Lectüre derselben anregte, weniger in eindringender und erschöpfender Dar­stellung, als in leichter geistvoller Skizze. Es kam häufig vor, daß man sich

Da in dieser wie in den nächstfolgenden Schriften mehrfache Beziehungen ans den

Unterzeichnern vorkommen, s» sei es ihm erlaubt, dies Mal in der ersten Person Singularis jU sprechen. I. S.

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