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Die Bildung der Frauen.
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Tausende, denen solche Pflichten weder als Gattin noch als Mutter auferlegt sind, haben Autheil an der allgemeinen Nufga.be der Frauen: als Tochter, als Schwester, als Freundin sind auch si'e berufen, für das Wohl des Familien­kreises zu wirken. Und wäre hier und da ein ganz alleinstehendes Wesen, so hätten gerade für die Einsame geistige Genüsse doppelten Werth und je mehr sie innerlich wächst und erwirbt, um so mehr wird sie tüchtig sein, sich einen Beruf zu sichern, wo die Svrgsamkeit, Thätigkeit und Geduld des Weibes immer einen Platz finden: nämlich in der großen Familie derer, die von geistiger oder leiblicher Noth bedrückt sind." Auch bei dem zweiten Werke, welches wir in der Neberschrift angeführt haben, können wir verständige Einsicht und tüchtige Gesinnung rühmend anerkennen.

Der palmersche Vergistimgsproceß.

Selten hat ein > Criminalproceß in England so großes Aufsehen gemacht, wie der gegen den Arzt William Palmer in Nngcley wegen der Vergiftung sei­nes Freundes Cook. So leidenschaftlich standen sich gleich nach dem Beginn der Untersuchung die Meinungen über seine Schuld oder Nichtschuld im Pnbli- cum gegenüber, daß der Proceß durch ein besonderes ParlamcntsgSsetz von dem Wohnort des Angeklagten nach London verlegt wurde, denn die Aussicht ein unparteiisches Vcrdict in Nngelcy zn erlangen war änßcrst gering, indem zn der großen Aufregung noch der moralische Einfluß kam, den der energische Charak­ter Palmers auf alle, die mit ihm in Berührung kamen, ausübte, uud der so stark war, daß er'sogar Beamte, wie den Postmeister iu Rugeley und den Todtcnbescbaner ihre Amtspflicht vergessen machten Palmcr. obgleich ursprünglich praktischer Arzt, hatte die Praxis schon vor Jahren ausgegeben, frequentirte die Pferderennen und betrieb fast ausschließlich Wettgcschäfte. Dadurch wurde er mit einem Mr. Eook bekannt, der. ursprünglich Jurist nnd im Besitz eines Vermögens von 1213,000 Psuud, sich ebenfalls dem Tnrf, wie es der Engländer nennt, widmete. Unglückliche Wetten und schlechte Wirthschaft stürzten Palmcr bald in Geldverlegenheiten nnd er fing bereits 1853 eine ruinöse Wechselreiterei an. Als die dadurch erlangten Mittel nicht mehr reichten, setzte er falsche Wechsel in Umlauf uud zwar 1853 den erstcu vou 2000 Pfund, angeblich von seiner sehr wohlhabenden Mntter accevtirt. Der Entdeckung entging er vor der Hand durch Prolongirung der Wechsel, die sich in der Hand eines londoner Advocaten Pratt, der sich mit dem Discontiren zweifelhafter Papiere beschäftigte, befanden. Im September 1855 starb seine Fran, deren Leben er mit 13,000 Psuud versichert hatte, uud mit dieser Snmme gelang es ihm, einen Theil seiner Schulden zu bezahlen. Aber immer blieb neben andern der gefälschte Wechsel von 2000 Pfnnd nucingelöst. Er versicherte nun das Leben scines Bruders ebenfalls für 13,000 Pfuud nnd stellte gegen Verpfändung der Po­lice ncne Wechsel aus, die Pratt mit 60"/c> discoutirte. Nachdem er ein Jahr aus diese Weise sortgewirthschaftet hatte, befanden sich im November 1853' in Pratts Hän­den für 11.500 Pfnnd Wechsel, sämmtlich verfallen und sämmtlich mit dem ge-

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