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der Weizen ist schwer und das Stroh viel länger, als auf den Ebenen bei Erzcrum. Die Mitte der Ebene ist etwas sumpfig und zeigt Spuren von Salz, bietet indeß einer großen Menge von Pferden, Hornvieh und Schafen Weideplätze dar. Es sollen gegen hundert Dörfer in der Ebene liegen. Sie ist daher zum Unterhalt von Armeen sehr geeignet. Erzingan hat nach Brant etwa 3000 Häuser oder Familien, nach andern 30,000 Einwohner. Bemerkenswerth ist noch die Stadt und Festung Sper oder Jsper, die in der gleichnamigen fruchtbaren Ebene unterhalb Baiburt am Tschorvch, zwei Tagereisen von Erzerum, liegt. Die Festung liegt auf einem Felsen, ist aber nicht besonders widerstandsfähig; die Stadt zieht sich an beiden Usern des Flusses hin.
Ein Marsch der Russen von Armenien aus durch die anatvlische Halbinsel nach Konstantinopel ist, falls der Krieg fortdauern sollte, selbst nach einer Bewältigung von Erzerum kaum denkbar. Ein solcher Marsch war nur so lange ausführbar, als die Russen im ungehinderten Besitz des Pontus sich befanden und ihr Marsch durch eine mit Lebensmitteln und Verstärkungen versehene Flotte begleitet werden konnte; jetzt aber, wo die russische Flotte in dem Hafen von Sebastopol zerstört ist, die verbündeten Flotten hingegen sich auf dem schwarzen Meere in jeder Richtung frei bewegen, wäre ein solcher Marsch, der die nach glaubwürdigen Berichten ohnehin nur etwa 3ü,000 Mann starke russische Armee von ihrer Operationsbasis in Georgien auf eine so weite Entfernung abzöge, ein wahnsinniges Unternehmen, namentlich da diese Bewegung auf'Straßen geschehen müßte, die zum Theil nur Saumwege sind. Die Russen selbst denken jetzt schwerlich an eine Bedrohung der osmanischen Hauptstadt von dieser Seite her.
Der falsche Nrmmis und der Grieche Smonides.
Der unbefangene Menschenfreund konnte in diesen Tagen zu Leipzig zwei schmerzliche Betrachtungen nicht von sich abhalten. Es gibt viel Betrug in der Welt und auch die Besten können irren. Die Geschichte von dem Palimpsest des Griechen Simonides läuft durch die deutschen Zeitungen. Leider haben die meisten Mittheilungen der Tagespresse über diesen gelehrten Gegenstand bis jetzt noch dieselbe Eigenthümlichkeit, welche sonst vorzugsweise die vfficicllcn Korrespondenten politischer Nachrichten auszeichnet, sie arrangiren die Thatsachen mehr im Interesse der bcthcilig- ten Personen, als im Interesse der lästigen altmodischen Wahrheit. Da es nicht wünschcnswcrth ist, daß bei einer wissenschaftlichen Angelegenheit derselbe Grad von Moral zu Tage komme, den wir in der politischen Presse nur zu sehr ertragen, und da die ganze Sache, um welche es sich handelt, am besten von der heiteren Seite betrachtet wird, so möge hier eine unbefangene Erzählung folgen.
Im Juli v. I. erschien in Leipzig ein geheimnißvoller Grieche, der sich Konstantin Simonides nannte, aus England kam und eine Anzahl seltener Handschrift