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niedrigung, Trägheit, Gleichgiltigkeit, vor dem Geschmack an der Mode und dem Reichthum, den wir ihnen zum Vorwurf machen." In der That kann man die Mißbräuche der Verwaltung nicht der Aristokratie Schuld geben. Sie hat keinen Vorzug in den Ofsizierstellen, noch weniger in den Bureaurämtern, um welche sie sich wenig bewirbt. Der Mangel an militärischer Erfahrung ist bei dem Bürgerthum ebenso groß, als bei dem Adel und rührt von dem Mangel guter Specialschulen her. Die Hauptangriffe waren gegen die „Patronage" gerichtet, dagegen, daß die Minister bei Anstellungen weniger auf das Staatswohl, als daraus sehen, daß sie ihre alten Clienten belohnen und neue Clienten sich schaffen; dagegen, daß Familien-, gesellschaftliche und Parteirücksichten bei der Besetzung der Stellen eine große Rolle spielen. Man dars aber nicht vergessen, daß-ein freier Staat wie England ein Staat ist, wo die Parteien herrschen und wo die herrschende Partei genöthigt ist, die Staatsämter mit ihren Anhängern zu besetzen. Es kommt nur darauf an, daß diese Anhänger für dies ihnen übertragene Amt geeignet und tüchtig sind und dies zu erreichen wird der öffentlichen Meinung in England, sobald sie es ernstlich will, sicherlich gelingen. Der öffentlichen Meinung in England hat noch kein Ministerium Widerstand zu leisten vermocht.
Die Franzosen im Jahre 1806 in Berlin.
Endlich hatte Friedrich Wilhelm III. dem Drängen der russisch gesinnten Partei nachgegeben, die den Krieg gegen Frankreich als eine von dem Nationalwillen dringend geltend gemachte Forderung hinstellte und unmittelbar nach der Rückkehr der Königin aus Phrmont eilten Couriere nach allen Seiten, um der Armee den Befehl zu überbringen, sich in Bewegung zu setzen.
Der Prinz Louis Ferdinand, dessen feuriges Temperament ihn weit über die Grenzen ruhiger Besonnenheit hinausführte, war vielleicht ebendeshalb der Held der Berliner geworden. Prinz Louis war jedenfalls von der Natur sowol in leiblicher wie geistiger Beziehung aus das entschiedenste begünstigt worden, er hatte einen schönen, starken Körper, neben diesem einen hellen Verstand, aber auch heftige Leidenschaften. Gern glauben wir einem seiner Zeitgenossen, welcher sich in Bezug auf ihn in folgenden Worten äußert: „Für ihn war nur der Königsthron, und da er ihn nicht besaß, so wußte er nicht, was er mit seiner Kraft anfangen sollte; er ließ also seinen Leidenschaften den Zügel schießen und gab sich ganz dem physischen Genuß hin. Bei Tage Champagner, des Nachts schöne Mädchen, zur Abwechselung Musik und Jagd, unter diese theilte er sein Leben." — Der völlige Gegensatz hiervon war der schüchterne, der nüchterne, in