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seiner Ueberzeugungen stimmt mit dem, was die große Mehrzahl der Gebildeten in Europa und namentlich in Deutschland denkt und empfindet, überein.
In der Tendenz wie in der Form seiner Schriften erinnert er an Schleiermachers Reden über die Religion, allein man findet doch einen wesentlichen Unterschied, denn wenn es ihm auch aus dir Verklarung und Heiligung des Gefühls ankommt, so ist ihm doch die praktische Bedeutung der Religion, von der Schleiermacher in jener Jugendschrift gar nichts wissen wollte, die Hauptsache. Er erkennt in dem Christenthum die wichtigste historische Offenbarung, aber er glaubt nicht, daß sie mit seiner ersten Erscheinung abgeschlossen war; er erkennt, daß das Christenthum eine Geschichte gehabt hat und sie auch noch weiter haben wird, da das religiöse Element, welches in ihm vorwaltet, einer Ergänzung aus den Anschauungen andrer Religionen bedürftig ist. Er ist daher weniger als Theolog, denn als Geschichtsphilosoph aufzufassen; aber er unterscheidet sich von unsern deutschen Geschichtsphilosophen durch die klare, plastische, den gesunden Menschenverstand wie das Gefühl gleichmäßig ergreifende Sprache. Solche Unternehmungen, die deutsche Metaphysik in anschauliche Vorstellungen zu übersetzen, können uns selbst zu Gute kommen, denn unsre eigne Philosophie, die jetzt in das Blut fremder Nationen eine neue Bewegung bringt, ist bei uns selbst einigermaßen ins Stocken gerathen und macht die Einführung frischer Säfte sehr wünschenswerth.
Nicht minder interessant als die eigentlich religiösen Vorträge sind die vermischten kritischen Schriften, die zum großen Theil aus den ersten vierziger Jahren herrühren. Darunter machen wir auf eine prachtvolle Schilderung deS Pharisäers aufmerksam. Wir wollen ein paar Proben daraus mittheilen. „Es gab eine Zeit, wo derjenige, der sich einen Christen nannte, gleichsam das Gelübde des Propheten that und Trübsal und Gefahr folgte seinen Schritten; die Armuth kam wie ein Niese über ihn und der Tod grinste ihn zum Fenster herein an, wenn er sich mit seinem Weibe und seinen Kindern niedersetzte. Damals ein Christ zu heißen, war soviel, als ein Mann zu sein, Gebete voll großer Entschlüsse zu beten und dem Himmelreiche zu leben. Wir haben
die rechten Namen für die Sache verloren.....Dem kirchlichen Pharisäer
hat sein Glaube soviel gekostet, daß er nichts thut, als glauben. Er läßt es sich nicht träumen, nach seinem Glauben zu leben. Er hat eine Religion für den Sonntag und ein Gesicht für den Sonntag und Svnntagsbücher und Sonntagsgespräche. Und grade wie er seinen Sonntagsrock an den Nagel hängt, so legt er auch seine Gespräche, seine Bücher, sein Gesicht und seine Religion bei Seite. Sie würden prvfanirt werden, wenn er an sie einem Wochentage brauchte. Er kann am Sonntag mit dem feierlichsten Gesicht in seinem Kirchstuhl sitzen — Holz auf Holz — und mit keinem Gedanken daran denken, daß die Worte des