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halb weniger schön, weil es jetzt mit geringerer Mühe und kleinern Kosten genossen werden kann, weil es jetzt leicht zu finden und jedermann zugänglich ist? Wenn ein Reiz darin liegt, Schwierigkeiten zu überwinden, so finden sich dergleichen in einer fremden Landschaft beim Bergsteigen und Durchwandern der Städte ohnedies noch in genügender Anzahl. Wer es vorzieht, stundenlang in der Irre umherzulaufen, vielleicht bei dem Sehenswerthesten vorbeizugehen, und nur durch Zufall das zu finden, weshalb er gereist ist, dem sollen diese Bücher nicht empfohlen sein, auch dem nicht, der es für vortheilhaft hält, schlechter zu logiren, gute Reisegelegenheiten zu versäumen und sich selbst in einem fortdauernden Hader mit den hohen Ansprüchen, welche Gewinnsucht überall an den Reisenden macht, die Laune zu verderben. Er mag als Sonderling auf Seitenpfaden wallen und nach der Weise einer sentimentalen Zeit die Poesie des Reiselebens da suchen, wo sie nicht zu finden ist, in einem unnützen Kampfe mit den Schwächen der Menschen und den Zufälligkeiten der Natur. Glücklicherweise ist die Zahl solcher, welche in anspruchsvoller Abgeschlossenheit das verachten, was für einen tüchtigen mittlern Durchschnitt menschlicher Bildung und menschlicher Bedürfnisse berechnet ist, bei uns nur gering. Auch die Zahl derer ist unter uns Deutschen nicht groß, welche sich zu Sklaven der rothen Bücher machen und in dem Bestreben, alles zu sehen, was auf ihrer Straße angemerkt ist, die Fähigkeit des Genusses verlieren.
Der hohe Grad von Trefflichkeit, zu welchem die Neisebücher von Bä- deker gekommen sind, ist allerdings die Folge vieljähriger Reisen, Mühen und Arbeiten des verdienten Mannes. Und unter dem Vielen, was sie auszeichnet, sind besonders zwei Eigenschaften rühmend hervorzuheben, die klare Uebersicht- lichkeit, in welche das reiche Material geordnet ist und die große Sicherheit und Zuverlässigkeit der zahllosen statistischen Angaben über Beschaffenheit der Gasthöfe, Preise, Führer und was sonst dazu hilft, den Reisenden vor Unbehagen zu schützen. Wahrscheinlich denkt das reisende Publicum nicht daran, welchen Versuchungen die Verfasser der rothen Bücher ausgesetzt sind und daß eine nicht gewöhnliche Energie und Integrität dazu gehört, um alle die capti- virenden Versuche von Hotelbesitzern abzuhalten und die starken Vorwürfe, welche gekränkte Speculanten dem Verfasser eines Reisebuchs in das Haus schicken, mit Ruhe zu ertragen. Wenn ein bekannter Verfasser von Reisebüchern seine Reisememoiren schreiben wollte, so würde er eine Menge von kleinen Abenteuern zu berichten haben. Es ist bekannt, daß Herr Bädeker bei weitem den größten Theil der zahllosen Beobachtungen, welche er in den Reisebüchern mittheilt, selbst gemacht und auch da, wo er die englischen Neisebücher von Murray zu Grunde legte, überall selbst die mitgetheilten Thatsachen revidirt hat. Auf seinen Reisen wird er wahrscheinlich oft in der Lage
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